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Ein Ort zum sterben

Ein Ort zum sterben

Titel: Ein Ort zum sterben
Autoren: Carol O'Connell
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kilometerweit.«
    Jack Coffey schloß die Augen, aber das nützte nichts. Auf der Innenseite der Lider sah er die Schlagzeile der Post: » Dritter Mord des Unsichtbaren.« Bei der Konkurrenz hieß er einfach der Ladykiller, aber der Touch des Übersinnlich-Geheimnisvollen kam bei den Lesern besser an.
    Die erste alte Dame war am hellichten Tag in dem kleinen Park am Gramercy Square umgebracht worden. Es gab genug Fenster, die auf den Park hinausgingen, genug Spaziergänger, die auf den Parkbänken herumsaßen, genug Passanten, die den Mord an Anne Cathery hätten beobachten können, aber kein einziger Zeuge hatte sich gemeldet. Unbemerkt von den dickfelligen New Yorkern hatte die Leiche im Gebüsch gelegen. Erst durch die Fliegen war in den frühen Morgenstunden des nächsten Tages ein Anwohner auf sie aufmerksam geworden.
    Das zweite Opfer, Estelle Gaynor, war ebenfalls am Gramercy Square gefunden worden. Pearl Whitmans Tod in einer heruntergekommenen Gegend von Manhattan – was geographisch gesehen nur zwanzig Blocks weiter südlich war, von der sozialen Lage her aber wie auf einem anderen Kontinent – durchbrach dieses Muster. Und diesmal hatte es – auch das eine signifikante Abweichung – außerdem einen Cop erwischt. Keinen Geringeren als den Leiter der Sonderkommission für Gewaltverbrechen.
    Harry Blakely zündete sich eine billige Zigarre an, und Coffey biß sich auf die Unterlippe, um das trockene Würgen zurück zu drängen, das ihm schon wieder zu schaffen machte.
    »Wie hat der Täter die alte Dame wohl hierher gelockt? Was meinen Sie, Coffey?«
    »Er muß einen Wagen gehabt haben.« Der dienstliche Teil seines Gehirns war auf Autopilot gestellt, während er sich auf das Grummeln in seinen Gedärmen konzentrierte. »Wahrscheinlich hat er sie sich am Gramercy Park geschnappt. Reiche alte Damen pflegen in dieser Gegend hier nicht spazieren zu gehen.«
    Blakely lächelte. »Er hat also einen Wagen. Das ist immerhin schon mehr, als wir gestern wußten. Somit ist Markowitz doch kein Totalverlust.«
    Was kriegte einer, der den Kripochef k.o. schlug? Freibier für den Rest seines Lebens. Aber keine Pension.
    »Sie sind der Dienstälteste im Dezernat, Coffey. Wenn Sie sich bewähren, sind Sie noch vor Jahresende Captain. Der Fall gehört Ihnen.«
    Na wunderbar. Und wer sollte das Mallory klarmachen?
    Coffey hatte die lange schwarze Limousine im Blick, die jetzt am Gehsteig hielt, aber er nahm sie gar nicht richtig wahr, begriff nicht gleich, daß es der Wagen von Police Commissioner Beale sein mußte.
    »Zu dumm, die Sache mit Markowitz«, sagte Blakely halb zu sich selbst. »Wie kann man bloß einen derart idiotischen Fehler machen? Er war eben doch pensionsreif.«
    Coffeys Faust verkrampfte sich in dem lappig gewordenen Sakko. Daß Louis Markowitz der New Yorker Polizei immer wieder zu glanzvollen Erfolgen verholfen hatte, zählte also nicht. In Erinnerung würde man ihn nur behalten, weil er zum Schluß einen Fehler gemacht hatte. Vielleicht war der Täter ausgefuchster als Markowitz. Noch ausgefuchster? So einem war Coffey bisher noch nicht begegnet. Und wenn er auf ihn stieß – würde dann er, Lieutenant Coffey, Chief Blakely und Konsorten auch nur wegen seines letzten Fehlers in Erinnerung bleiben?
    »Weiß Mallory Bescheid?« fragte Blakely.
    »Sie ist im Haus. Mit der Spurensicherung.«
    »Mist!«
    »Sie war als erste am Tatort. Haben Sie im Ernst gedacht, wir könnten sie da raushalten?«
    »Sie hat den toten Markowitz gesehen?«
    »Ja, und sie ist voll in Fahrt.«
    Nur undeutlich registrierte er, daß jetzt ein dritter Mann neben ihm stand und eine blutleere, knochige Hand auf den Kotflügel legte. Er zuckte zusammen, als der Neuzugang ihm ins Ohr schrie: »Sergeant Mallory ist da drin? Das darf doch nicht wahr sein!«
    Wie war Beale auf seinen kleinen Frettchenpfoten so schnell hergekommen?
    Noch immer etwas benommen drehte Coffey sich um und sah dem Commissioner in die wäßrig-grauen Augen. Für so einen Bonsai-Typ, dachte er, hat der Junge ein bemerkenswert lautes Organ.
     
    Dr. Edward Slope kam direkt von einem Barbecue am Swimmingpool seiner Villa in Westchester. Im Grunde war es eine Flucht gewesen. Eine willkommene Flucht vor Schwiegereltern und Nachbarn, kreischenden Kindern, schwirrenden Frisbee-Scheiben, rauchenden Hamburgers und Grillwürstchen. Er hatte sich nicht einmal mehr die Zeit zum Umziehen genommen, sondern nur seine Tasche gepackt, sich – schon im Gehen – wortreich
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