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Ein orientalisches Maerchen

Ein orientalisches Maerchen

Titel: Ein orientalisches Maerchen
Autoren: Helen Brooks
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dann meine Gastfreundschaft und Hilfe anbiete, lehnen Sie das ab.“ Seine Miene verfinsterte sich zusehends. „Um eins klarzustellen: Ich hatte noch nie Probleme mit Frauen. Weder musste ich sie bezahlen noch hinter Ihnen herlaufen. Im Gegenteil.“ Er sprach bemüht ruhig, aber seine Stimme hatte einen schneidenden Unterton. „Außerdem, angesichts Ihrer Lage: Warum wollen Sie mir eigentlich nicht vertrauen? Ich habe noch keine verdammte Lady getroffen, die so die Krallen ausfährt, wenn ein Mann ihr einfach nur helfen …“
    Kit senkte den Kopf, damit er nicht sah, wie ihr die Tränen in die Augen schossen. Sie kämpfte, wollte stark sein. Aber es war einfach alles zu viel. Mit einem Mal kam sie sich so verloren vor. Und ganz langsam brach jetzt der Damm. Die Tränen, die sie noch versucht hatte niederzuringen, strömten ihr heiß die Wangen hinunter. Hilflos schlug sie die Hände vors Gesicht, und ihr Körper wurde von heftigem Schluchzen geschüttelt.
    „ Oh, mon Dieu …“, sagte er, und seine Stimme klang ganz rau. Für einen Sekundenbruchteil schien er zu zögern, suchte nach einem neuen Taschentuch.
    Kit nahm das alles nicht wahr.
    Es war doch so hoffnungslos!
    Aber dann spürte sie mit einem Mal, wie jemand sie in die Arme nahm und sanft hin und her wiegte. „ Ne pleurez pas. Weinen Sie nicht. Alles wird gut.“
    Sachte und behutsam barg er ihren Kopf an seiner Brust … streichelte zärtlich über ihr Haar … und raunte ihr tröstende Worte in dieser Sprache zu, die Kit nicht verstand. Aber durch die zärtliche Art, mit der sie gesprochen wurden, erreichten sie dennoch ihr Herz. Und langsam, ganz langsam spürte Kit eine wärmende Zuversicht in sich aufsteigen. Die Situation machte ihr immer noch Angst, gleichzeitig aber fühlte sie sich so wunderbar lebendig in diesen starken Armen.
    Ob es ihr jemals gelingen würde, ihr Gedächtnis wiederzufinden, wusste sie nicht. Etwas anderes aber spürte sie genau: Nach dem bodenlosen Nichts, in das sie gestürzt war, war dieser Augenblick für sie wie ein erster Lichtstreif am dunklen Horizont.

2. KAPITEL
    Eine kleine Ewigkeit lag Kit so in diesen starken Armen. Vergaß all ihre Sorgen und Nöte. Doch dann war dieser Augenblick vorüber. Exakt in dem Moment, als sie Zedernholz und Limone als Kopfnoten eines Aftershaves erkannte und ihr klar wurde, wer diesen Duft verströmte!
    Nicht, dass ihr die Mischung nicht behagt hätte. Im Gegenteil. Kit empfand sie sogar als ausgesprochen sinnlich und würzig. Auch die Art, wie der Mann sie berührte, stark und warm, gefiel ihr, und sein französischer Akzent, der so unheimlich verführerisch klang, nicht minder.
    Dennoch – oder vielleicht gerade deshalb? – fühlte Kit jetzt in der Gegenwart Gerard Dumonts eine Befangenheit. Und das seltsame Kribbeln auf ihrer Haut, das sie immer verspürte, wenn er ihr in die Augen sah, trug auch nicht gerade zu ihrer Beruhigung bei.
    „Ich …“ Sie schüttelte den Kopf und wand sich abrupt aus seinen Armen. „Bitte lassen Sie mich. Es tut mir leid, das geht nicht.“ Seinem fragenden Blick wich sie aus.
    „Wovor haben Sie Angst?“, fragte er dennoch ganz ruhig und setzte sich wieder auf seinen Stuhl neben ihrem Bett. „Als sie vorhin meine Gastfreundschaft so kratzbürstig ablehnten, hätte ich gewettet, dass sie vor nichts zurückschrecken.“
    „Angst? Wie kommen Sie darauf?“, fragte sie und gab sich Mühe, ihre innere Erregung zu verbergen. Was wusste
    er, was sie nicht wusste? „ Ich habe keine Angst.“
    „Wenn das so ist“, antwortete er unverändert ruhig, „frage ich mich, warum Sie solche Anstrengungen unternehmen, um abweisend zu sein.“ Er beugte sich nach vorn.
    „Ich bin nicht abweisend.“ Wo bleibt eigentlich die Schwester mit dem Frühstück?
    „Was dann?“
    Kit stöhnte unbehaglich auf. „Aber ich kenne Sie doch gar nicht … ich weiß nicht, wer ich bin, und …“
    „Und haben, wie mir der Arzt sagte, infolge der Schlageinwirkung eine leichte Gehirnerschütterung. Ihre kleine Blessur am Kopf ist gut verheilt. Ihre Amnesie jedoch, die laut Ihrer Aussage immer noch anhält …“
    „Was wollen Sie damit sagen? Meinen Sie etwa, ich lüge?“, brauste sie auf.
    „Nicht doch, ma chère. Aber Sie befinden sich hier in einer neurologischen Spezialabteilung. Medizinisch wurden Sie bestens versorgt, damit Sie sich körperlich schnell wieder von den Folgen des Überfalls erholen, psychisch aber …“
    „Psychisch?“, wiederholte sie verstört.
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