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Ein Noah von heute

Ein Noah von heute

Titel: Ein Noah von heute
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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überhaupt seien sie sehr selten, und wahrscheinlich werde er nicht viele zu sehen bekommen.
    Diese Auskunft schien ihn sehr zu ermutigen, und er versprach, mir während meines Aufenthalts einige Exemplare zu beschaffen. Ich dankte ihm und vergaß die ganze Sache.
    Nachdem ich meine Sammlung zusammengebracht hatte, fuhr ich zur Küste, um sie an Bord des Schiffes zu verladen. Am Abend vor der Abfahrt erschien mein junger Freund in seinem Wagen; er war sehr aufgeregt und sagte mir, er habe die versprochenen Exemplare. Er habe nämlich auf der Bananenpflanzung, wo er arbeitete, eine Schlangengrube entdeckt, und ich könnte alle die Schlangen haben, falls ich hinging und sie herausholte.
    Ohne mich nach der Grube näher zu erkundigen, willigte ich ein, und wir fuhren in seinem Wagen zu der Pflanzung. Bei der Ankunft in seinem Bungalow stellte sich heraus, daß mein Freund mehrere Leute eingeladen hatte, die sich meine Schlangenjagd ansehen wollten. Als wir dann etwas tranken, merkte ich, daß mein Freund irgend etwas suchte, und auf meine Frage, was er denn so dringend brauche, antwortete er: «Ein Seil.»
    «Wozu brauchen Sie das Seil?» wollte ich wissen.
    Er erklärte mir, daran sollte ich in die Grube hinuntergelassen werden. Das veranlaßte mich, mich zum erstenmal zu erkundigen, wie die Grube beschaffen sei; denn ich hatte sie mir ungefähr drei Meter im Quadrat und einen Meter tief vorgestellt.
    Zu meinem Unbehagen erfuhr ich, daß die Grube einem großen Grab ähnelte; sie war offenbar vier Meter lang, etwa einen Meter breit und über drei Meter tief. Nach der Meinung meines Freundes konnte ich nur hinuntergelangen, wenn ich wie eine Märchenfee im Theater an einem Seil hinabschwebte.
    Hastig erwiderte ich, daß ich in diesem Falle eine Taschenlampe haben müßte, jedoch keine bei mir hätte.
    Niemand von den Anwesenden hatte eine Taschenlampe, aber mein Freund löste das Problem, indem er eine Petroleum-Sturmlaterne ans Ende eines langen Strickes knüpfte und sagte, er werde diese Laterne mit mir in die Grube hinunterlassen.
    Ich konnte nicht widersprechen, denn wie mein Freund durchaus richtig betonte, gab die Laterne viel mehr Licht als jede Taschenlampe.
    Schließlich wanderten wir alle durch die mondbeleuchtete Bananenpflanzung zu der Grube. Ich weiß noch, unterwegs dachte ich, immerhin bestünde ja die Möglichkeit, daß sich die Schlangen als eine harmlose Gattung herausstellten.
    Doch als wir, am Rande der Grube angekommen, die Laterne hinabließen, sah ich, daß es da unten von jungen Gabun-Vipern wimmelte, die zu den gefährlichsten Giftschlangen in Westafrika gehören; alle schienen über die Störung sehr ungehalten zu sein, hoben den spachtelförmigen Kopf und zischten uns an.
    Da ich niemals auf den Gedanken gekommen wäre, daß ich in die Grube hinuntersteigen müßte, um die Schlangen zu fangen, war ich keineswegs passend gekleidet. Dünne Beinkleider und leichte Turnschuhe bieten keinen Schutz gegen die zweieinhalb Zentimeter langen Giftzähne einer Gabun-Viper.
    Das erklärte ich meinem Freund, worauf er mir sehr liebenswürdig seine Beinkleider und Schuhe lieh, die ziemlich dick und stark waren. Dann wurde mir, da mir keine weiteren Vorwände einfielen, das Seil um den Leib gebunden, und sie ließen mich langsam in die Grube hinunter.
    Sehr bald entdeckte ich, daß man mir das Seil mit einer Zugschlinge umgebunden hatte, und je tiefer ich hinunterschwebte, desto fester schnürte sich die Zugschlinge um meine Leibesmitte zusammen, bis ich kaum mehr zu atmen vermochte. Kurz bevor ich auf dem Boden landete, rief ich hinauf, man solle innehalten. Ich wollte nämlich erst den Boden untersuchen, auf dem ich landen würde, um mich zu vergewissern, daß keine Schlangen im Wege waren. Nachdem ich mich davon überzeugt hatte, gab ich Befehl, mich weiter hinunterzulassen; und in diesem Augenblick geschahen zwei Dinge. Zuerst ging die Laterne aus, da niemand in der Aufregung daran gedacht hatte, sie genügend aufzupumpen; zweitens verlor ich einen der Schuhe, die mir mein Freund geliehen hatte, und die mir zu groß waren. Da stand ich nun auf dem Boden einer drei Meter tiefen Grube ohne Licht und ohne Schuh an dem einen Fuß, umgeben von sieben oder acht giftigen und äußerst gereizten Gabun-Vipern. Nie hatte ich größere Angst. Ich mußte im Dunkeln warten, ohne eine einzige Bewegung zu wagen, während meine Freunde die Laterne hinaufzogen, aufpumpten, erneut anzündeten und wieder in die Grube
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