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Ein nackter Arsch

Ein nackter Arsch

Titel: Ein nackter Arsch
Autoren: Christian Bauer
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allem Unglück auch noch Lisette wieder und sah uns da nackt im Matsch liegen. Und Schmidtbauer sagte: ‚So, und jetzt mal schön den Hintern nach oben für die schöne Lisette. Sonst kommen die Hunde.‘ Und wir hörten, wie er sich anschickte, die Leinen zu lösen. Also haben wir auch das noch gemacht. Ich werde das Lachen von Schmidtbauer nie vergessen.“
    Für eine Weile war es ganz ruhig im Zimmer. Desgranges wirkte merkwürdig gefasst. Er schien erleichtert.
    „Lisette hat nie wieder mit mir gesprochen. Sie werden sich fragen, ob mich der Verlust so hart getroffen hat. Hat er nicht. Es war nicht die große Liebe, die er mir genommen hat. Es war die Demütigung, die ich nie verwunden habe. Dieses Gefühl, von diesem Arschloch so vorgeführt worden zu sein. Das hat mich mein Leben begleitet. Peter und ich konnten uns lange nicht in die Augen schauen. Und Peter war immer mein bester Freund gewesen. Wir haben Jahre gebraucht, bis wir uns wieder regelmäßig sehen konnten. Nur über ein Thema haben wir nie mehr wieder gesprochen.“
    Simone schaute ihren Vater an. „Und warum hast du mir eine Puppe geschenkt, die du Lisette genannt hast?“
    „Das war eine blöde Idee von mir. Einfach eine Laune ohne tieferen Sinn. Es sei denn, du findest darin einen. Ihr Psychologen habt dafür bestimmt eine Erklärung. Die Puppe habe ich ja erst Jahre später gekauft. Du warst, glaube ich, drei. Und als du mich gefragt hast ‚Wie heißt die denn?‘, ist der Name einfach aus mir herausgesprudelt. Deine Mutter hat sich auch gewundert, denn die kannte die Geschichte mit Lisette natürlich nicht. Sie hat mich noch tagelang gelöchert, wer denn Lisette sei. Sie war nämlich ziemlich eifersüchtig, auch wenn sie nie heiraten wollte. Sie hat es dann Gott sei Dank wieder aufgegeben, nachzuhaken. Aber ich hatte mir unbeabsichtigt ein Erinnerungsstück geschaffen. Denn für dich hieß die Puppe seitdem Lisette, und das hat mir die alte Geschichte hin und wieder in Erinnerung gerufen.“
    „Und deshalb hatten wir auch nie Hunde, obwohl ich so gerne einen gehabt hätte.“ Simone Richter sagte das sehr nachdenklich, so als habe sie gerade ein altes Puzzleteil ihrer Kindheit entdeckt.
    Jacques Desgranges lächelte. „Deine Mutter wollte keine, sie hatte Angst vor Hunden. Und ich wollte auch keine mehr, denn Hunde erinnerten mich natürlich immer wieder an das Geschehene. Meinen Schäferhund hat mein Vater übernommen.“
    „Ähm…“ Simarek räusperte sich. Er unterbrach das intime Familiengespräch nur ungern. Aber er wollte zurück zum Fall Schmidtbauer. „Sie werden verstehen, dass ich noch ein paar Fragen habe.“
    „Und Sie sollen Antworten erhalten. Ich erzähle einfach weiter. Sie werden sich fragen, ob ich Schmidtbauer mein ganzes Leben lang verfolgt und beobachtet habe. Nein, das habe ich nicht. Er ist mir erst in letzter Zeit wieder häufiger in die Gedanken gekommen. Das mit dem Verdrängen funktionierte nicht mehr so gut. Vor zwei Jahren bin ich von einer Bande junger Rotznasen bedroht worden. Die wollten an meinen Geldbeutel und hatten einen Dobermann dabei. Da kamen dann zufällig zwei Polizisten um die Ecke und die Bande hat das Weite gesucht. Seitdem war die alte Geschichte in mir wieder aufgebrochen, und ich dachte häufig daran.“
    „Retraumatisierung nennt man das“, murmelte Simone Richter und schaute unglücklich drein, als ihr Vater weitererzählte.
    „Aber der eigentliche Auslöser war ein Zufall. Den Kontakt zu Schmidtbauer fand ich über meine Tochter.“
    Simone Richter verbarg ihr Gesicht in den Händen und schüttelte den Kopf. Offenbar wusste sie, was kommen würde.
    „Simone spricht nie von ihren Fällen. Nur einmal, da hat sie gesagt, dass eine Klientin…“ Er wandte sich an seine Tochter: „So nennst du deine Patientinnen doch? Dass also eine Klientin deine Puppe als Gesprächspartnerin entdeckt habe. Und dass sie über Lisette mit dir spreche. Und dann hast du noch gesagt, dass du froh bist, dass sie ihren Job bei ASP gekündigt hat. Das ist dir nur so rausgerutscht und du hast dann auch schnell das Thema gewechselt. Aber bei ASP klingelten bei mir alle Glocken, und Schmidtbauer war plötzlich wieder präsent in meinen Gedanken. Und als dann vor einem Vierteljahr die Diagnose kam, dass ich nicht mehr lange zu leben habe, da ist dann in mir der Entschluss gereift, dass ich Alfons Schmidtbauer mitnehme. Es tut mir übrigens wirklich leid, wenn Ralf Bergmann meinetwegen Ärger bekommen haben
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