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Ein nackter Arsch

Ein nackter Arsch

Titel: Ein nackter Arsch
Autoren: Christian Bauer
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heute, vielleicht erst in einem oder in zwei Monaten, aber ich sterbe. Und ich will, dass meine Tochter mich versteht. Denn ich habe eine Seite in mir, die du nicht kennst, Simone.“
    „Aber du hast immer gesagt, dass Hass kein Weg ist.“ Simone Richter wirkte äußerlich gefasst, aber Simarek bemerkte das leichte Zucken um Mundwinkel und Augen der Psychologin.
    „Das habe ich, mein Schatz, wie um es mir selbst immer wieder zu sagen. Und ich bin sicher, dass das auch stimmt. Aber es gibt Hass, der frisst an dir, es gibt Hass, der macht krank, es gibt Hass, der schreit nach Vergeltung, nach Rache. Und ich wollte Rache.“ Desgranges trug seine Sätze ruhig und gelassen vor, im Ton eines Menschen, der dabei war, das Kapitel Leben unabänderlich abzuschließen.
    Und obwohl Simarek bei Desgranges weder Anzeichen von Reue noch Schuldbewusstsein ausmachen konnte, fühlte er eine seltsame Sympathie für den alten Mann in dem roten Ohrensessel. Natürlich wusste Simarek, dass das nichts an der Schuld von Desgranges änderte. Aber Simarek verstand seinen Beruf schon lange nicht mehr moralisch. Und so manchen Mörder konnte er bei genauerer Betrachtung sogar verstehen, was nichts daran änderte, dass er ein Mörder blieb. So lag der Fall auch hier, auch wenn Simarek bereits wusste, dass Desgranges seinen Prozess nicht mehr erleben würde.
    „Was ist passiert?“, fragte nun Simone.
    „Wir waren jung und wir mochten uns von Anfang an nicht, Alfons Schmidtbauer und ich. Was uns einte, war unsere Leidenschaft für Hunde. Ich hatte einen Schäferhund, er zwei Dobermänner. Deshalb war er auch Mitglied in unserem Hundeverein geworden. Er brauchte einen Platz, wo er seine Hunde trainieren konnte. Und das musste man ihm lassen, er hatte die Tiere im Griff. Aber er war auch gefährlich. Denn er prahlte damit, dass er seine Hunde auch als Waffe einsetzen wollte. Wir hielten das für einen schlechten Witz, bis er es eines Tages wirklich tat.“
    Desgranges verstummte, das Sprechen schien ihm schwerzufallen. Das war wohl teilweise auch eine Folge seiner Erkrankung, aber nicht nur. Offenbar war es auch schwer, in Worte zu fassen, was jahrzehntelang nur gefühlt worden war. Jetzt drang es nach außen, musste aber seine Form noch finden.
    Simarek beschloss, Jacques Desgranges Zeit zu lassen und auch Simone Richter drängte ihren Vater nicht. Hier in diesem Zimmer am Ende des Lebens schien Zeit ohnehin keine entscheidende Rolle mehr zu spielen.
    So schwiegen alle, bis Jacques Desgranges neue Kraft gefunden hatte und weitersprach: „Wir waren damals alle noch sehr jung, hielten uns aber mit unseren vierundzwanzig schon für sehr erwachsen. Ich war der einzige, der eine Freundin hatte. Meine Freunde Pierre Duvall und Peter Conrad waren solo. Aber ich hatte Lisette. Lisette war hübsch und sie hatte auch eine Schäferhündin. Das passte gut zusammen. Aber Alfons Schmidtbauer fand ebenfalls Gefallen an Lisette. Und er war ein aufbrausender und machtgieriger Mensch. Er gehörte wohl zu der Sorte, die sich einfach nimmt, was sie meint besitzen zu müssen. Und er hat sich Lisette genommen, indem er mich vor ihren Augen gedemütigt hat. Es fällt mir sehr schwer das zu erzählen, aber vielleicht erklärt das meinen unbeschreiblichen Hass.“
    Wieder machte Desgranges eine Pause, um Kraft zu sammeln. Und diesmal war klar, dass es nicht die Physis war, die nach einer Unterbrechung verlangte, sondern die Psyche. Aber Desgranges hatte beschlossen, reinen Tisch zu machen.
    „Es war der Abend unseres Vereinsfestes Anfang Juni. Es war schwül, wir hatten gefeiert und wir hatten getrunken. Am Ende waren nur noch Pierre Duvall, Peter Conrad, Schmidtbauer und ich übrig. Lisette wollte nur kurz ihre Hündin nach Hause bringen, später aber noch mal wiederkommen. Wir hatten unsere Hunde in unsere Autos gebracht und tranken weiter, auch wenn wir uns nicht sonderlich leiden konnten. Und dann kam ein heftiger Platzregen. Und in unserem Übermut haben Peter und ich uns die Klamotten vom Leib gerissen und sind auf dem Hundeplatz herumgetollt. Plötzlich stand Schmidtbauer da mit seinen beiden Hunden. Im Gegensatz zu uns war er nicht ganz so betrunken. Und als wir das gefährliche Knurren seiner Tiere hörten, waren wir auch ganz schnell wieder ziemlich nüchtern. Schmidtbauer befahl uns, uns auf den Boden zu legen, sonst würde er die Hunde auf uns hetzen. Wir haben ihm noch gesagt, er soll den Quatsch lassen. Aber er meinte es bitterernst. Und dann kam zu
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