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Ein nackter Arsch

Ein nackter Arsch

Titel: Ein nackter Arsch
Autoren: Christian Bauer
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verwirrt und wusste nicht, was ich tun sollte.“
    „Kann ich verstehen. Auch eine Psychotherapeutin ist zunächst mal eine Tochter und ein Mensch.“
    „Ich würde gerne noch mal mit Ihnen sprechen, aber jetzt möchte ich zurück zu meinem Vater.“
    „Ich laufe Ihnen nicht weg“, sagte der Kommissar. „Versprochen.“ Dann drehte er sich um und ging.

    Die Sonne schien, als Simarek in seinen Peugeot stieg. Er beschloss, nicht die schnellste Route zurück nach Saarbrücken zu nehmen, er wollte einfach etwas Zeit vertrödeln und dabei den Kopf leer kriegen. Deshalb fuhr er drauflos und bevorzugte kleine Nebenstraßen. Er durchfuhr Hottviller, Bettviller und Wiesviller, Orte, von deren Existenz er bislang nichts geahnt hatte. Auch Hanviller hatte er vorher nicht gekannt und deshalb die Verbindung zu Bitche erst gezogen, als auch die zwischen Simone Richter und Jacques Desgranges offenbar wurde. Er hatte vorher einfach nicht daran gedacht, dass Tochter und Vater unterschiedliche Nachnamen haben könnten, ein Denkfehler, der ihm erst auf dem Friedhof klar geworden war. Die Landschaft, die er durchfuhr, war meist bäuerlich, zeigte aber auch hier und da Zeugnisse ihrer Keramiktradition. In Sarreguemines hielt er an, um einen kleinen und sehr schwarzen Kaffee zu trinken. Dazu stopfte er sich ein Croissant in den Mund. Die Sonne ließ die Stadt freundlich und hell wirken. Sie lud zum Verweilen ein, doch Simarek musste weiter. An der Saar entlang fuhr er Richtung Saarbrücken und hatte dabei den irrealen Wunsch, nie anzukommen.
    Im Kommissariat berichtete er zunächst Fabio Trulli von seinem Besuch in Bitche. Auch dieser war nicht ganz sicher, was in diesem Fall nun geboten war. Simarek beschloss daraufhin, sofort den Kontakt zum Polizeichef aufzunehmen. Freitagnachmittag war für gewöhnlich kein Zeitpunkt, an dem man Marc Duchene in seinem Büro antraf. Normalerweise entschuldigte ihn sein Sekretariat dann mit „aushäusigen Verpflichtungen“. Heute war das anders. Duchene hatte noch einen wichtigen Termin mit dem Staatsanwalt vor sich, beide wollten gemeinsam das neue Zwei-Sterne-Restaurant in Saarbrücken testen, wie er Simarek berichtete, der sich ein solches kulinarisches Fest maximal einmal im Jahr gönnte, auch, weil es an Gelegenheiten fehlte. Evi stand mehr auf Currywurst mit Pommes „ruut-wieß“, der Kölner Variante mit Ketchup und Majonäse, als auf Edel-Gastronomie mit zugehörigem Service-Schnickschnack, wie sie es nannte. Simarek ging gerne sehr gut essen, aber nur in netter Gesellschaft und mit viel Zeit. Beides hatte er selten. Vielleicht sollte er Gerd Hassdenteufel mal zu einem Besuch in einem Gourmettempel überreden. Aber das war jetzt nicht das Thema. „Gut, dass Sie den Staatsanwalt heute noch sehen. Der Fall Schmidtbauer ist nämlich gelöst.“
    „Hervorragend, mein lieber Simarek, hervorragend, ich wusste, dass…“
    „Allerdings“, unterbrach Simarek seinen Polizeichef, und dann erzählte er, was sich seit der Pressekonferenz ereignet und wie Kommissar Zufall in Form einer Puppe die Aufklärung beschleunigt hatte.
    Duchene hörte aufmerksam zu und stellte nur eine abschließende Frage: „Sie meinen also, dass Desgranges seinen Prozess nicht mehr erleben wird?“
    Simarek sagte, er gehe davon aus, dass Desgranges das nächste Vierteljahr nicht überleben werde, dass es aber hierfür natürlich keine Garantie gebe. Fest stehe, dass er schwer krank sei und die Krankheit zum Tode führe. Und dann sagte Simarek:
    „Wissen Sie, ich bin froh, dass nicht ich jetzt die Entscheidung treffen muss, was weiterhin passieren soll.“
    „Das kann ich sogar verstehen“, sagte Duchene nachdenklich, denn Simarek hatte den Polizeichef nicht darüber im Unklaren gelassen, mit welch ambivalenten Gefühlen er das Hospiz in Bitche verlassen hatte. Duchene wies auch nur kurz und ohne einen vorwurfsvollen Unterton darauf hin, dass Simareks Verhalten, ohne Unterstützung und Begleitung der Forbacher Kollegen das Hospiz in Bitche aufzusuchen, dienstrechtlich problematisch sei. Aber da fiele ihm schon etwas ein. Dennoch werde er heute noch mit den französischen Kollegen Kontakt aufnehmen und darum bitten, das Hospiz zu beobachten, auch wenn wohl keine Fluchtgefahr bestehe. Und dann sagte Duchene einen Satz, den Simarek sich mit roter Farbe im Kalender vermerken wollte und den er vermutlich so schnell auch nicht wieder hören würde:
    „Gehen Sie jetzt erst mal in Ihr Wochenende, Herr Oberkommissar. Das
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