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Ein nackter Arsch

Ein nackter Arsch

Titel: Ein nackter Arsch
Autoren: Christian Bauer
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sollte. Ein netter Kerl. Vielleicht ein bisschen naiv.“

    Jahrzehntealter Hass war also das Motiv gewesen. Simarek hatte so etwas erwartet. Und dass Desgranges seinen Widersacher mit ins Grab nehmen wollte, hatte für den Kommissar eine Logik, die er kannte. Es gab für Desgranges nichts mehr zu verlieren, jedenfalls nicht das Leben. Also hatte er sich entschlossen zu handeln. Dabei war er planvoll vorgegangen und hatte eine logistische Meisterleistung vollbracht. Als Frührentner hatte er Zeit und konnte die Gewohnheiten von Schmidtbauer ausspionieren. Nachdem klar war, dass Schmidtbauers Leben immer wiederkehrenden Ritualen folgte, bemühte sich Desgranges um einen Job in der Putzfirma für die Saunalandschaft in Fechingen. Das brachte er der Firma mit der Begründung nahe, sie könne Fahrtkosten sparen, weil er ohnehin einen Wohnsitz in Fechingen habe. Eine glatte Lüge, die aber durchging, da er schwarz arbeitete und niemand Fragen stellte. Zwei Wochen lang putzte Desgranges abends die Räumlichkeiten der Saunalandschaft und kundschaftete sie dabei aus. Seine schwindenden Kräfte machten ihm klar, dass er bald handeln musste.
    Der Plan war schnell gemacht. Er sei selbst überrascht gewesen, wie einfach er an das Gift gelangt war und seinen Plan umsetzen konnte. Schmidtbauer habe sich schließlich selbst vergiftet. Eigentlich habe er vorgehabt, die Leiche einfach liegen zu lassen und zu verschwinden. Aber dann sei ihm eine andere Idee gekommen und Ralf habe mitgespielt. Und so habe er dafür sorgen können, dass man Schmidtbauer in, wie er es nannte, angemessener Pose fand. Wer ihm an dem Saar-Parkplatz geholfen hatte, dazu schwieg sich Desgranges in seinem roten Ohrensessel aus. Simarek hatte dazu zwar eine Idee, aber er wusste nicht, ob er sie wirklich verfolgen wollte. Für ihn war der Fall fast abgeschlossen, und er sah wenig Sinn darin, einen sterbenden Mann aus dem Hospiz heraus in ein Gefängniskrankenhaus verlegen zu lassen. Vermutlich würde Desgranges ohnehin nicht haftfähig sein. Aber das mussten andere Stellen entscheiden. Er würde seinen Polizeichef informieren und dann müsste mit der Staatsanwaltschaft geklärt werden, was als Nächstes geschehen sollte. Er selbst hatte im Moment keine Handhabe, um aktiv zu werden. Er war spontan und ohne Rückendeckung der französischen Kollegen nach Bitche gefahren. Sein Besuch war genau genommen privat.
    „Ich kann Sie nicht festnehmen“, sagte Simarek zu Desgranges. „Wir sind in Frankreich und ich weiß auch nicht, ob irgendein Untersuchungsrichter bei Ihrem Zustand einer Inhaftierung zustimmen würde. Das haben Sie sicher auch so eingeplant. Monsieur Desgranges, auch wenn ich vieles von dem verstehen kann, was Sie erzählt haben: Mord bleibt Mord.“
    „Ich verstehe Ihre Haltung auch, Herr Kommissar. Aber wissen Sie, ich wollte nur, dass meine Tochter mich versteht.“
    Simone Richter schaute ihren Vater traurig an und sagte dann sehr leise: „Ich verstehe dich. Ja. Mir ist jetzt einiges klar geworden. Trotzdem finde ich furchtbar, was du getan hast. Und das weißt du auch, denn es widerspricht fast allem, was du mir beigebracht hast. Es ist ein Verrat an den Idealen, an die ich als Kind geglaubt habe und die ich als Erwachsene immer noch für richtig halte. Ich finde es traurig, dass du keine andere Lösung gefunden hast. Aber damit muss ich als deine Tochter wohl leben.“
    Jacques Desgranges lächelte. Etwas anderes hatte er wohl auch nicht erwartet. Dann wandte er sich dem Kommissar zu. „Herr Simarek. Ich verspreche Ihnen, ich werde nicht weglaufen. Nur falls Sie doch noch vorhaben, mich verlegen zu lassen. Dem Rechtsstaat muss Genüge getan werden. Das sehe ich ein. Und ich habe wirklich nicht mehr viel zu verlieren. Vielleicht ein wenig Bequemlichkeit. Obwohl Sterben vermutlich an keinem Ort bequem ist.“
    „Da mögen Sie Recht haben“, antwortete der Kommissar, erhob sich und sagte: „Leben Sie wohl, Monsieur Desgranges. Auf Wiedersehen, Frau Richter.“ Dann verließ er das Zimmer, nicht sicher, wohin er jetzt gehen oder fahren sollte. Er hatte gerade die Eingangshalle des Hospizes verlassen, da hörte er ihre Stimme hinter sich: „Herr Simarek.“
    Er drehte sich um, und sie kam langsam auf ihn zu.
    „Ich war am letzten Mittwoch vielleicht nicht ganz ehrlich zu Ihnen. Das tut mir leid. Aber als ich zu ahnen begann, dass mein Vater in diese Geschichte von Gesine, Lisette und Alfons Schmidtbauer verstrickt ist, war ich zuerst auch
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