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Ein Mensch wie Du

Ein Mensch wie Du

Titel: Ein Mensch wie Du
Autoren: Heinz G. Konsalik
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doch nicht, Herr Krone?« fragte er höflich.
    »Wenn ich die Dame nicht störe …«
    »Aber nein! Darf ich vorstellen: Herr Krone – Frau Belora …«
    Durch Franz Krone ging es wie ein Schlag. Sandra Belora! Die große Sandra Belora, die gestern noch die Butterfly im Rundfunk sang! Die Partnerin von Gigli in Rom und Mailand, von Peter Anders in Berlin und Hamburg, von Ramon Vinnay in New Yorks Metropolitan. Er verbeugte sich wieder, ein wenig linkisch und steif, die Absätze zusammengenommen wie bei einem Kasinoabend, als er der Gattin des Kommandeurs vorgestellt wurde. »Der jüngste Leutnant meines Regiments, meine Liebe …«
    Professor Glatt setzte sich an den Hügel und streckte die rechte Hand hin. »Ich werde Sie selbst begleiten. Wo haben Sie die Noten?«
    »Ich habe keine Noten, Herr Professor.«
    Glatt sah erstaunt auf. »Habe ich Ihnen nicht geschrieben …«
    »Ja, das haben Sie. Aber Sie haben mich eben nicht ausreden lassen, Herr Professor. Ich bin gekommen, um Ihnen zu sagen, daß ich nicht vorsingen werde.«
    »Ach!« Glatt drehte sich auf dem Klavierstuhl herum und sah kurz Sandra Belora an. »Das ist etwas Neues! Sonst drängt sich alles, bei mir vorzusingen, und ich muß mir die schaurigsten Stimmen anhören … Und dieser junge Mann kommt herein und sagt: ›Ich singe nicht!‹«
    »Ich möchte es Ihnen ersparen, auch meine schaurige Stimme anzuhören. Ich kann keine Noten lesen …«
    »Das könnte man lernen. Ich habe 1935 einen bayerischen Holzknecht ausgebildet, der nach dem vierten Volksschuljahr entlassen worden war. Er konnte kaum schreiben und lesen. Aber singen! Heute singt er in Buenos Aires den Siegfried von Wagner! Eine Stimme ist eine Gnade Gottes, das andere ist der lernbare technische Teil.« Er stützte sich auf den Deckel des Flügels und sah Krone mit seinen grauen Augen hinter der dünnen Goldbrille scharf an. »Wo haben Sie schon gesungen?«
    »Noch nirgendwo.«
    »Nur zu Hause?«
    »Ja. Nach dem Radio. Wie ein Papagei.«
    Vom Fenster tönte ein leises Lachen. Sandra Belora schüttelte leicht den Kopf. Franz Krone blickte zu ihr hinüber und spürte, wie das Blut in seinen Kopf stieg. »Ich spiele hier den Hampelmann«, durchfuhr es ihn. »Ich benehme mich wie ein dummer Junge … Darf ich jetzt gehen, Herr Professor?«
    »Aber nein!« Glatt erhob sich und kam auf Krone zu. »Ihre Ehrlichkeit gefällt mir. Ich bin es gewohnt, daß die Kandidaten, die hier vorsingen, mindestens so gut singen können wie jeder Kammersänger. Das sagen sie, und so treten sie auch auf. Sie legen eine Arie hin, daß man das Kotzen kriegt, und verdrehen dann die Augen: ›Was sagen Sie nun, Herr Professor?‹ Und Sie kommen da herein und sagen: ›Ich bin nur ein Papagei‹. Mich interessiert der Papagei, Herr Krone … Lassen Sie das Vögelchen mal zwitschern!«
    »Ich habe keine Noten, ich kann sie nicht lesen …«
    »Dann singen Sie so, wie Sie's gewöhnt sind. Aus dem Gedächtnis. Ich werde mich bemühen, am Flügel mit Ihrem Tempo Schritt zu halten. Improvisieren wir mal …« Er ging wieder an den Flügel zurück und setzte sich. Seine Finger glitten über die Tasten … Eine Melodie … ›Dies Bildnis ist bezaubernd schön‹ Mozart, ›Zauberflöte‹ … »Was sind sie von Beruf, Herr Krone?«
    »Gärtner, Herr Professor.«
    »Ausbildung?«
    »Abitur … Leutnant …«
    »Sieh an, sieh an. Abitur. In Köln?«
    »Ja. Humboldt-Gymnasium.«
    »Eine gute Schule. Ich habe sie auch besucht. Gutes Zeugnis?«
    »Mittelmäßig. Ich war ein glatter Versager in Mathematik.«
    »Genau wie ich! War zu Ihrer Zeit noch Dr. Wendel tätig?«
    »Er war unser Musiklehrer.«
    »O je!« Professor Glatt lachte. »Dann verzeihe ich Ihnen vieles! Wollen Sie ein Landsknechtslied singen?«
    Franz Krone lachte. Irgendwie war der Bann, das Eis, das sich um sein Herz gelegt hatte, gebrochen. Am Fenster kicherte Sandra Belora … Das Spiel Professor Glatts brach plötzlich ab.
    »Was wollen Sie als erstes singen?« fragte er.
    »Ich möchte nicht singen.«
    »Kreuzdonnerwetter!« Glatt hieb auf die Tasten. »Was hindert Sie, hier ein paar Töne von sich zu geben?! Mehr als hinterher 'rausfliegen können Sie ja nicht.«
    Franz Krone sah hinüber zu der schönen Frau am Fenster. Sandra Belora hatte sich zurückgelehnt und den schlanken Körper gestreckt. »Wie eine Katze«, dachte Franz Krone. »Und sie wird lachen, wenn ich schlecht singe, sie wird mich auslachen, den dummen, ungelenken Jungen, der vor Professor
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