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Ein Mensch wie Du

Ein Mensch wie Du

Titel: Ein Mensch wie Du
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Glatt steht und sich bitten läßt wie eine Diva.« Er fühlte, wie eine Gegnerschaft zu dieser schönen Frau in ihm emporstieg, wie der Drang, ihren Spott zu vernichten, übermächtig wurde. Er sah ihre großen Augen mit dem hellen Punkt, der hin und her tanzte, ihre roten Lippen, die zu einem Lächeln gefroren schienen …
    »Troubadour‹«, sagte er laut. »Die Stretta des Manrico …«
    »Verrückt!« Professor Glatt schüttelte den Kopf. »Zweimal das C! Singen Sie doch ein Volkslied! Warum eine Bravourarie, über die der beste Sänger stolpern kann? Was also soll's sein?«
    »Die Stretta.«
    »Bitte! Fallen Sie damit 'rein!«
    Die ersten Töne, gehämmert, den Rhythmus angebend. Sandra Belora hatte sich ein wenig vorgebeugt. Franz Krone sah es, als er kurz zur Seite blickte. Ihr tiefer Ausschnitt war in dieser Stellung gewagt … Das blitzende Gold der dünnen Kette lenkte den Blick noch mehr auf ihren Busen.
    »Der Einsatz … Mein Gott, der Einsatz …«
    »›Lodern zum Himmel seh' ich die Flammen …‹«
    Die Stimme stand im Raum. Sie schwang von Ton zu Ton, sie jubelte auf, sie nahm die Höhe, metallen brach die Arie aus ihm hervor.
    Professor Glatt zuckte mit den Wimpern. Er beugte sich über die Tasten und sah den Sänger nicht mehr an. Sandra Belora stand in einer Erstarrung am Fenster. Das Lächeln ihrer Lippen war weggewischt. Der Mund stand ein wenig offen, die dunklen Brauen waren hochgezogen, die Augen sahen voll Erstaunen, voll Unglauben auf den Mann, der da im Zimmer stand und mit zurückgeworfenem Kopf seine Arie sang.
    Das C … Das hohe C … Noch zwei Takte … Noch einen Takt … Jetzt … Es war da! Es stand im Raum! Es wurde gehalten, es brach nicht, es löste sich nicht auf in einen Schluchzer, rein war es, wunderbar, unwirklich fast …
    Sandra Belora klatschte in die Hände, noch ehe die Arie zu Ende war. Sie stürzte vor und umarmte Franz Krone. Ein Duft süßen Parfüms kam auf ihn zu. Er sah große Augen, rote Lippen. Er spürte einen heißen, schlanken Körper vor sich. »Sie sind der kommende Tenor …«, hörte er, dann wurde Sandra von Professor Glatt zur Seite geschoben.
    »Ganz nett«, sagte er. »Ein bißchen zu starhaft, eben Papagei. Was können Sie noch?«
    »›Boheme‹ … ›Turandot‹ … ›Rigoletto‹ … ›Martha‹ … – Es hat ihm nicht gefallen«, durchfuhr es Krone. »Aber Frau Belora hat mich umarmt, die große Belora.«
    Das war ein Trost, sicher, aber was sollte ein Trost, da er nicht gewillt war, überhaupt zu singen. Daß er diese Arie gesungen hatte, war nur der Drang, dem spöttischen Lächeln der schönen Frau am Fenster Einhalt zu gebieten. Der Zweck war erreicht – noch konnte er gehen.
    »Ich möchte nicht weitersingen«, sagte Franz Krone hart.
    »Wie sie wollen.« Professor Glatt setzte sich wieder an den Flügel.
    »Können Sie das Duett aus ›Boheme‹, erster Akt, Ende?«
    »Ich habe nie ein Duett gesungen. Ich kenne die Tenorpartie, aber ich singe sie nicht …«
    Professor Glatt nickte weise. »Frau Belora«, sagte er freundlich, »fangen Sie bitte mit dem Ende der Mimi-Arie an – ich leite dann über zu dem Duett. Bitte –«
    Er gab den Einsatz an und nickte. Sandra Belora sang. Franz Krone stand in der Mitte des Raumes, in dem Augenblick verzaubert, als die Stimme aufklang, diese perlende, klare, hohe Stimme. Gestern sang sie im Rundfunk, und heute stand er neben ihr, der kleine Gärtner aus Liblar im rheinischen Vorgebirge, und sollte mit ihr ein Duett singen. Franz Krone mußte schlucken. Ein Kloß saß ihm im Hals, irgend etwas Hartes, das seine Stimme lähmte. Professor Glatt sah zu ihm hinüber, er hob die Hand …
    Und Franz Krone sang … Er kannte den Text nicht, er sang sinnlose Laute, selbstgebildete Worte, aber die Melodie stimmte, seine Stimme vereinigte sich mit dem weichen Klang von Sandras Sopran … »Reich mir den Arm, Geliebte.« – »Ich gehorche, mein Herr …« Jetzt der Abgang … Wieder das C … Die Stimme der Belora blühte auf, sie zitterte im Raum, die Wände waren zu eng, diesen Sturm der Töne zu halten, aber auch Krones Tenor entfaltete sich, er legte den Arm um die Belora und zog sie mit sich, abgehend wie auf der Bühne, ein Paar, das sich auflöste in Musik und herrlichem Wohlklang.
    Mit leuchtenden Augen sah Sandra zu Professor Glatt hinüber, der eine Weile stumm hinter seinem Flügel saß und zu Franz Krone emporsah. Seine Hände lagen noch auf den Tasten. »Wie eine Urteilsverkündung«,
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