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Ein Mensch wie Du

Ein Mensch wie Du

Titel: Ein Mensch wie Du
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verpflichtet war zu hören? Die Gärtnerei verpachten? Er warf die Zigarette, an der er rauchte, auf den Boden und zertrat sie. »Nie!« – »Ich lege mein Lebenswerk in deine Hände, mein Junge«, hatte der Vater geschrieben, als er in dem Krankenhaus lag und wußte, daß er das weiße Zimmer mit dem dunklen Kruzifix an der Wand und den spärlichen Primeln am Fenster nie mehr verlassen würde. »Führe die Gärtnerei wie ich … Das ist alles, was ich dir zu sagen habe. Sie hat mich ernährt, deine Mutter und dich … Ich hätte dich lieber als Arzt gesehen, von dem du immer träumtest, und ich wäre stolz auf meinen großen Sohn gewesen … Aber das Leben geht andere Wege als unsere Wünsche, und wir müssen den Wegen folgen, denn unerforschlich ist der Ratschluß Gottes, und wir dürfen nicht wanken und nur sagen: ›Was Gott will, das ist gut!‹ Werde ein Gärtner, mein Junge … So wirst du nur das Blühen und Reifen der Welt sehen und auf deinem Stück Land glücklich sein. Das sei mein Vermächtnis … Lebe danach, und ich kann ruhig in Gottes Hand schlafen.«
    »Nie!« sagte Franz Krone laut, als wolle er den Geist des Vaters ansprechen. »Nie gebe ich die Gärtnerei her!«
    Der Himmel in der Ferne war gerötet. Dort lag Köln, die Riesenstadt, die eine Riesenfaust zerstampft hatte und die jetzt neu emporwuchs, langsam zwar, aber stetig mit der Kraft ihrer zweitausend Jahre. Von Knapsack herüber wehte der Wind den Geruch von Ruß … Die Bäume rauschten … Es war kühl.
    Als er das Radio anstellte, klang ihm die Stimme eines Tenors entgegen. Schnell drehte er wieder ab und saß in der Dunkelheit und starrte aus dem Fenster in die Nacht.
    Der Stachel saß in seinem Fleisch, und er schmerzte.
    »Puccini«, dachte er und erschrak über diesen Gedanken. »Wenn ich jemals Puccini singen könnte. Ein einziges Mal singen wie Anders, Gigli, Tagliavini …«
    Er legte den Kopf auf die Hände und schloß die Augen.
    Und um ihn herum war die Dunkelheit – Musik, die schwoll und schwoll und widertönte aus allen Winden und ihn ganz ergriff wie ein Fieber, schüttelnd, schmerzend, unheilbar …
    Am 23. Mai 1949 erhielt Franz Krone ein Schreiben der Musikhochschule Köln, Oberländer Ufer.
    Er las zuerst die Unterschrift.
    »Glatt. Prof. Glatt.«
    Er las sie zehnmal, ehe er sich bezwang, den Text des kurzen Briefes zu lesen:
    »Sie werden gebeten, am kommenden Donnerstag zwischen 10 und 12 Uhr bei dem Unterzeichner in der Musikhochschule Köln, Oberländer Ufer vorzusingen. Mitzubringen sind die Noten, auch für den Klavierpart. Falls Sie verhindert sein sollten, bitten wir zur Festlegung eines anderen Termins um Ihre schnelle Nachricht.
    Hochachtungsvoll Prof. Glatt«
    Einen Augenblick stand er wie betäubt vor dem großen Gewächshaus und starrte auf das Schreiben in seinen Händen. »Greta«, dachte er. »Es kann nur Greta gewesen sein. Sie ist zu Professor Glatt gegangen, sie hat ihm von mir erzählt, und sie wird so lange gesprochen und gebeten haben, bis Glatt diesen Brief schrieb.« Er konnte sich den berühmten Lehrer vorstellen, wie er fast widerwillig dieses Schreiben diktierte, nur, um Greta loszuwerden; wie er beim Unterschreiben des Briefes dachte: »Schon wieder ein Talent, das bei den ersten Tönen durchfällt und dem man schonend sagen muß, daß die Stimme ›noch nicht gereift‹ ist … Sinnlos vertane Zeit«, mochte Glatt gedacht haben, als der Brief dann zur Post gegeben wurde, und er würde auch nur widerwillig zuhören, wenn Franz Krone am Donnerstag mit klopfendem Herzen vor dem Flügel im Probensaal stand und in dieses Gesicht hineinsingen sollte, das verschlossen war, uninteressiert, stolz und von Beginn an bereit abzulehnen.
    Franz Krone setzte sich auf die Bank und las das Schreiben noch einmal durch. Donnerstag zwischen zehn und zwölf! Noten für den Klavierpart sind mitzubringen. Noten! Was wußte er von Noten? Ein Abiturient, der keine Noten kannte außer der C-dur-Tonleiter und einigen allgemeinen Regeln. Der in der Schule Landsknechtslieder sang, die Dr. Wendel selbst für einen Schülerchor umschrieb und mit blitzenden Augen dirigierte … »Der Tod reit't auf einem kohlschwarzen Rappen …« – »Es ist ein erhebendes Gefühl, dies zu singen, Kerls!« – so hatte damals Dr. Wendel gerufen. »Seht ihr nicht die Zelte der Söldner, die Marketenderwagen, die Lagerfeuer, die Fahnen und Standarten? Wehr dich, Garde – der Bauer kommt! Her mit Dreschflegel und Mistgabel, die Armbrust
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