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Ein Mann fürs Grobe

Ein Mann fürs Grobe

Titel: Ein Mann fürs Grobe
Autoren: Horst Bosetzky
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Chaussee, die B 273, die aus Oranienburg kam und nach Wandlitz führte.
    «Ist was mit dem Wagen nicht in Ordnung?» fragte Mannhardt.
    «Mit dem schon, aber mit Ihnen wohl nicht!»
    Mannhardt hatte irgendwie Kreislaufstörungen, verspürte jedenfalls eine gehörige Leere im Kopf, ein dumpfes Dröhnen. «Wieso?»
    «Eh wir hier noch weiter durch die Prärie irren, will ich erst mal Kohle sehen. Bei Ihnen hätte ich gleich auf Vorkasse bestehen sollen. Das hat man nun davon, daß man so gutmütig ist. Aber nu: ’n Hunderter oder Ende der Reise!»
    Mannhardt konnte nicht anders, als Hindenburg insgeheim recht zu geben. «Ja, sicher. Entschuldigung...» Er griff, ohne zu zögern, nach seinem Portemonnaie... und... Scheiße, in den Jackentaschen war es nicht. Dann hinten in der Hose. Auch nicht. In der Brusttasche seines Hemdes. Nein, wiederum Fehlanzeige. Der Schweiß stand ihm plötzlich auf der Stirn, sein Herz war einer Panikattacke schon recht nahe. Zumal er das Gefühl hatte, mit seinem Portemonnaie auch seine Ich-Identität verloren zu haben.
    «Hab ich mir doch gedacht: kein Geld dabei!» hörte er die Stimme des Fahrers.
    «Doch, doch.» Mannhardt drehte sich zur Seite, um im Spalt zwischen Sitz und Rückenlehne zu suchen. Wahrscheinlich war ihm sein Portmonnaie beim Einsteigen aus der Gesäßtasche gerutscht und steckte nun... Auch nicht. Nun bückte er sich nach unten, um auf dem Wagenboden zwischen seinem und dem Vordersitz zu suchen. Unter der Gummimatte sicher. Nein... Als er wieder hochkam, starrte er in den Lauf einer 38er Smith & Wesson. Und er glaubte nicht, daß es sich dabei um ein Imitat aus Plastik handeln würde.
    «So, jetzt machen wir kurzen Prozeß», sagte der Fahrer.

18
    Die beiden Frauen, die im familiären «Mythos» – Weimarische, Ecke Detmolder Straße in Wilmersdorf – beim Retsina zusammensaßen und, bevor die bestellten Speisen kamen, vom Taramas naschten, hatten andere Themen als Kinder und Küche.
    «Die Bearbeitung von Vermißtenfällen scheint mir bei der Polizei sehr schleppend zu erfolgen», sagte Bianca Broch.
    Karin Aurak wiegelte ab. «Auch wir müssen wirtschaftlich handeln, und fast alle bei der Polizei gemeldeten Vermißtenfälle klärten sich nach ein paar Tagen von selbst wieder auf. Wie ja auch bei Ihrer Cousine...»
    «Ja, aber die Aufregung davor. Das fällt dann alles auf die Politiker – auf mich, auf uns – zurück.» Bianca Broch fuhr mit der Fingerspitze so lange den Rand ihres Glases entlang, bis ein hoher Pfeifton die anderen Gäste zusammenschrecken ließ. «Beim Stichwort Polizei, da denken alle an unklare Zielsetzungen und an das Fehlen einer systematischen Erfolgskontrolle.»
    Die Polizeioberrätin verteidigte sich damit, daß man immerhin das «Programm Innere Sicherheit – 1994» und eine sehr gute und detaillierte Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) vorzuweisen habe.
    Die Politikerin winkte ab. «Dieses Programm besteht doch nur aus allgemeinen Absichtserklärungen, und die Statistik ist wohl mehr ein Fetisch und ein Trauma als eine objektive Arbeitsgrundlage. Siehe großes Dunkelfeld, siehe zweifelhaftes Anzeigeverhalten. Was ich mir vorstelle, sind klare Zielvorgaben und klare Zielvereinbarungen zwischen Politik und Polizei.»
    Karin Aurak steckte sich eine Zigarette an. «Das wird schwer werden bei den beiden grundsätzlich verschiedenen kriminalpolitischen Positionen, die es gibt. Vielleicht weniger in Ihrer Partei, aber zumindest bei einer großen Koalition. Für die einen ist Kriminalität in erster Linie Folge sozialer Benachteiligung und Konflikte – und somit mit sozialpräventiven Konzepten zu bekämpfen –, für die anderen ist sie das Ergebnis bröckelnder und nicht voll verinnerlichter Werte – und am besten dadurch zu bekämpfen, daß man die Normentreue mit harten Sanktionen durchzusetzen versucht.»
    Weiter kamen sie in diesem Punkte nicht, denn nun brachte Pavlos, der wie immer heiter-liebenswürdige «Mythos»-Wirt, ihre Hauptgerichte, und sie freuten sich, einmal von einem Mann bedient zu werden. Das brachte sie dahin, darüber zu reden, wie schwer sie es hatten, in «Männerbünden» wie CDU und Polizei Karriere zu machen.
    «Kompetenz und Führungsqualitäten reichen da nicht», sagte Bianca Broch. «Da muß noch mindestens zweierlei hinzukommen. Erstens einmal, daß auch wir Frauen uns zu Seilschaften zusammenschließen. Wie ich schon mit meiner Freundin Heike zusammen – über alle ideologischen Gräben hinweg –, und
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