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Ein Lotterie-Loos

Ein Lotterie-Loos

Titel: Ein Lotterie-Loos
Autoren: Jules Verne
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die milden und heiteren Farben des Wandgetäfels. In einer Ecke der großen Stube steht der große Kachelofen, dessen Rohr nach der Esse über dem Küchenherd mündet. Hier wieder bewegt die große, von einem Holzkasten umschlossene Uhr ihre schön gearbeiteten und spitz auslaufenden Zeiger über ein großes Emailzifferblatt und bezeichnet jede Secunde durch ein lautes Tiktak. Dort steht der alte Schreibtisch mit braunem Simswerk vor einem eichenartig angestrichenen, dreibeinigen Sessel. Auf einem Untersetzer prangt ein Leuchter aus gebranntem Thon, der, wenn man ihn umkehrt, einen dreiarmigen Kandelaber darstellt. Die schönsten Möbel des Hauses zieren überhaupt diesen Raum. Der Tisch aus Birkenwurzel mit geschweiften Füßen. Die große Truhe mit verzierten Beschlägen, in der sich der Sonn-und Festtagsstaat befindet. Der große hölzerne Lehnstuhl, der schon mehr einem Kirchstuhl gleicht, die Stühle aus bemaltem Holz; das altehrwürdige Spinnrad, dessen grünliche Verzierungen lebhaft mit dem Rocke der Spinnerinnen contrastiren. Ferner der Topf für die eingesetzte Butter und die Rolle zum Festrühren derselben, sowie der Tabakskasten und die Reibe aus geschnittenem Knochen. Ueber der nach der Küche führenden Thür endlich blinken auf breitem Gestelle die Reihen von Kupfer-und Zinngeschirr neben Tellern und Schüsseln mit glänzendem Email aus Fayence und solchen aus Holz, der kleine Schleifstein, der halb in seinem gefirnißten Behälter verschwindet, der alte und ehrwürdige Eierhalter, der nöthigenfalls als Kelch dienen könnte, und dazu die hochinteressanten Wände, welche mit Stickereien in Leinwand bedeckt sind, die in bunten Farben Scenen aus der Bibel wiedergeben. Die Zimmer für Reisende sind zwar einfacher in der Ausstattung, doch nicht minder anheimelnd mit ihren höchst sauberen Möbeln; vor den Fenstern mit dem Vorhange aus frischem Grün, der sich von der Kante des berasten Daches herabzieht, mit dem breiten Bett und dessen weißem Linnenzeug, das ein Blumenmuster zeigt, wie mit den Bettwänden, auf denen, gelb auf rothem Grunde, Bibelsprüche aus dem alten Testament geschrieben stehen.
    Unerwähnt darf hierbei auch nicht bleiben, daß die Dielen des größten Raumes, wie die aller Zimmer des Erdgeschosses und des ersten Stockwerks, mit Birken-, Tannen-und Wachholderreisig bestreut sind, dessen Blätter und Nadeln das ganze Haus mit erfrischendem Wohlgeruch erfüllen.
    Könnte sich wohl Jemand eine reizendere Posada in Italien, eine entzückendere Fonda in Spanien vorstellen?
    Gewiß nicht. Und hier hat der Strom englischer Touristen – wenigstens zur Zeit, wo unsere Erzählung spielt – noch nicht wie in der Schweiz die Preise in die Höhe geschnellt. In Dal wird die Börse des Reisenden nicht gleich um Guineen und Pfunde Sterling erleichtert, hier bildet der silberne Speciesthaler, im Werthe von viereinhalb Mark, die größte Münze; meist handelt es sich beim Bezahlen nur um dessen Unterabtheilungen, die Mark im Werthe von ungefähr siebenundfünfzig Pfennigen und den Kupferschilling, den man ja nicht mit dem englischen Schilling verwechseln darf, denn jener entspricht nur etwa einem französischen Sous. 1 Ebenso wenig ist es die anspruchsvolle Banknote, welche der Tourist in Telemarken stets auszugeben oder zu verschwenden hat. Hier sieht man nur den einfachen Papierspecies von weißer Farbe, das Fünfspecies-Billet (blau), das zu zehn (gelb), das zu fünfzig (grün) und zu hundert Species (roth); es fehlen also nur zwei, sonst wären alle sieben Regenbogenfarben vertreten.
    Ferner – und damit bietet dieses gastliche Haus einen weiteren beachtenswerthen Vorzug – ist Speise und Trank hier vortrefflich, was man von den anderen Gasthäusern der Umgebung nicht allemal sagen kann. Telemarken rechtfertigt nur zu sehr seinen Spitznamen des »Landes der geronnenen Milch«. Tief im Inneren, wie in Tineß, Listhuus, Tinoset und an anderen Orten, gibt es fast niemals Brot oder doch nur so schlechtes, daß man besser davon absieht; nichts als eine Art Hafermehlscheiben, das trockene schwärzliche und wie steife Pappe harte »Flatbröd«, oder höchstens eine Art groben Kuchen, dem gemahlene Birkenrinde, gemischt mit Mais und Häcksel, zugesetzt ist. Nur selten findet man Eier, außer wenn die Hühner vielleicht schon acht Tage vorher gelegt hatten; in Ueberfluß dagegen ein sehr mittelmäßiges Bier, süße und saure geronnene Milch (Filbunk) und zuweilen etwas Kaffee, diesen aber so dick, daß
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