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Ein Lotterie-Loos

Ein Lotterie-Loos

Titel: Ein Lotterie-Loos
Autoren: Jules Verne
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zwischen dem 15. und dem 20. Mai zurück sein wird. Du kannst also darauf rechnen, mich etwa zu dieser Zeit, d. h. höchstens nach einigen Wochen, zu sehen.
    Theure Hulda, ich hoffe Dich ebenso wie bei meiner Abreise und ebenso wie Deine Mutter bei bester Gesundheit wieder zu finden. Munter und frisch auch den muthigen und entschlossenen Kameraden, meinen Vetter Joël, Deinen Bruder, der sich nichts Besseres wünscht, als auch der meinige zu werden.
    Beim Empfang des Gegenwärtigen grüße mir auch herzlich Frau Hansen, die ich von hier aus in ihrem Holzlehnstuhle nahe dem Ofen in der großen Stube deutlich vor mir sehe. Versichere ihr, daß ich sie zweimal lieb habe, einmal, weil sie Deine Mutter, und dann, weil sie meine Tante ist.
    Jedenfalls bemühe Dich nicht damit, mir nach Bergen entgegenkommen zu wollen. Es wäre möglich, daß der »Viken« noch eher einträfe, als ich voraussetze. Doch wie dem auch sei, theuerste Hulda, sicher kannst Du darauf rechnen, mich vierundzwanzig Stunden nach unserer Landung in Dal zu finden, nur erschrick nicht, wenn ich noch frühzeitiger ankomme.
    Wir sind durch die rauhe Witterung dieses Winters tüchtig umhergeworfen worden; ja, diese war so schlecht, wie unsere Seeleute sie noch kaum erlebt haben. Zum Glück lieferte wenigstens der Kabeljau an der großen Bank einen ausgezeichneten Ertrag. Der »Viken« bringt davon fünfhundert Centner mit, die in Bergen abzuliefern und durch die Bemühung der Herren Help Söhne schon verkauft sind.
    Mit einem Worte, das wird Euch Beide ja am meisten interessiren, wir haben einen guten Fang gemacht und der Ertrag wird auch für mich, der ich jetzt einen ganzen Antheil beziehe, recht gut sein. Bringe ich nun auch nicht gerade Reichthümer mit nach Hause, so hab’ ich doch den Gedanken, ja eine Art Vorgefühl, daß mich diese bei der Rückkehr erwarten. Ja, Reichthümer… ohne des Glücks zu erwähnen! Wie?… Das ist mein Geheimniß, liebste Hulda, und Du wirst mir schon verzeihen, ein Geheimniß für mich zu behalten. Es ist ja das Einzige, und ich werde es auch Dir noch offenbaren…. Wann?… Nun, sobald die Zeit dazu gekommen ist – vor unserer Hochzeit, wenn diese durch einen unvorhergesehenen Umstand verzögert werden sollte – nach derselben, wenn ich zur angegebenen Zeit eintreffe, und wenn Du in der Woche nach meiner Rückkehr nach Dal mein herziges Weib geworden bist, wie ich das ja von ganzer Seele wünsche.
    Ich umarme Dich, meine Hulda, und bitte Dich, an meiner Statt Frau Hansen und meinen Vetter Joël zu umarmen. Ich küsse im Geiste Deine Stirn, der die strahlende Krone der Neuvermählten von Telemarken wie ein Heiligenschein stehen wird. Zum letzten Male, lebe wohl, meine theure Hulda, lebe wohl!
    Für immer Dein
    Ole Kamp .«
Fußnoten
    1 In dem dünn bevölkerten Norwegen, ebenso wie in Schweden, ruht auf gewissen Häusern, Gjestgisverier genannt, neben dem Rechte, Reisende zu beherbergen, auch die Pflicht, diese mittelst zweiräderiger Wagen, »Schuß«, norwegisch Skyds genannt, zu behördlich bestimmtem Preise zu befördern.
    D. Uebers.
II.
    Dal besteht nur aus wenigen Häusern, von denen die einen längs einer Straße stehen, die eigentlich nur den Namen eines Fußwegs verdient, und die anderen auf benachbarten Anhöhen zerstreut liegen. Sie wenden die vordere Seite dem Vestfjorddal, den Rücken den Bergen im Norden zu, an deren Fuße hin der Maan verläuft. Alle Gebäude zusammen würden etwa einen der im Lande sehr häufigen »Gaards« bilden, wenn sie von einem einzigen Feldeigenthümer oder einem Zinspächter verwaltet würden. Doch wenn nicht den Namen eines Fleckens, so beanspruchen dieselben doch mit Recht den eines Weilers. Eine kleine, 1855 erbaute Kapelle, deren Chorhaube durch zwei schmale Glasfenster unterbrochen wird, erhebt in der Nähe durch das Baumgewirr ihren vierseitigen Glockenthurm – Alles in Holz. Da und dort sind über die Bäche welche dem Flusse zueilen, einige kreuzförmig gezimmerte Brückchen geschlagen, deren Zwischenräume von bemoosten Steinen ausgefüllt werden.
    Etwas weiterhin hört man das Knarren von ein oder zwei sehr ursprünglichen, durch Bergwässer getriebenen Sägemühlen, mit einem Schaufelrade zur Bewegung der Säge und einem anderen zur Fortschiebung des Balkens oder der Planken. Und wiederum in einiger Entfernung scheint das Ganze, Kapelle, Sägemühlen, Häuser und Hütten, in einen weichen Dunst von Grün gebettet, hier dunkel durch Tannen, dort blaugrün durch
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