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Ein leises boeses Fluestern

Ein leises boeses Fluestern

Titel: Ein leises boeses Fluestern
Autoren: Theodus Carroll
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Atems drang Arnolds Stimme zu ihm. Er konnte die Worte nicht verstehen.

 
XXVI
     
     
    Als Max sich dem Haus näherte, sah er einen hellen Schimmer von Clarissas Kleid. Die Laterne brannte und erhellte die Zufahrt und den Eingang zur unteren Veranda. Er parkte seinen Kombi und stieg aus.
    Sie saß allein auf den Stufen der hinteren Veranda, wo es beinahe ganz finster war, außerhalb des Lichtkreises der Laterne. Er setzte sich neben sie.
    »Ich habe keinen Schlüssel«, sagte sie. »Ich konnte nicht hinein.«
    »Du hättest warten sollen. Es war gefährlich für dich, ganz allein nach Hause zu gehen.«
    »Warum?« Clarissa hob das schwere Haar von ihren Schultern und fächelte sich den Nacken. »Ich habe niemanden gesehen.«
    »Du solltest schon so gescheit sein, daß du nicht in der Nacht allein herumläufst.« In seiner Stimme klang Nervosität mit. »Außerdem hatte ich es dir verboten.«
    Sie begann leise zu weinen und lehnte ihren Kopf an seine Brust. »Meine Mutter soll nach Hause kommen«, schluchzte sie. »Ich will meine Mutter hier haben.«
    Max fühlte ihren schmalen Körper unter dem Baumwollkleid und die kleine, warme Hand, die nach seiner faßte. Das lange Haar hing ihr ins Gesicht. Sie wirkte so verwundbar und rührend, so jung und so einsam.
    »Deine Eltern werden am Sonntag hier sein. Sie werden dich nicht wieder allein lassen. Ich werde versuchen, ihnen auseinanderzusetzen, daß es nicht gut für dich ist, so viel allein zu sein. Das müssen sie verstehen.«
    Sie hörte auf zu weinen und sah ihn an. Ihr Gesicht war gerötet, die Wangen naß, die Augen leuchteten in der Dunkelheit. »Sollen wir ihnen auch von … von den Briefen und all dem erzählen?«
    »Ich glaube schon.« Max strich ihr das Haar aus dem Gesicht. »Sie sollten es erfahren. Sie werden sich um dich kümmern müssen.«
    »Aber du kümmerst dich doch um mich. Ich brauche dazu niemand anders.« Sie sah ihn mit geängstigten Augen an. »Du hast mir versprochen, es sei unser Geheimnis, und du würdest es keinem anderen erzählen.«
    »Trotzdem wissen andere Leute davon. Deine Eltern könnten es von ihnen erfahren, und dann könnten sie böse werden, weil wir es ihnen nicht gleich gesagt haben.«
    »Wer weiß es?« Sie forschte in seinem Gesicht.
    »Clarissa, jetzt stellst du dich dumm. Louise weiß es … und Sally auch.«
    »Louise und Sally wollen ja gar nicht daran glauben.« Clarissas Fingernägel gruben sich in seinen Arm. »Niemand glaubt richtig daran, und deshalb wird auch keiner darüber sprechen. Bitte, erzähle es ihnen nicht.« Sie weinte von neuem. »Außerdem kennen andere Leute die Geheimnisse nicht. Die sind nur für uns. Andere Leute wissen nicht, daß …« Sie brach ab.
    »Was wissen sie nicht?«
    »Ach, nichts … Nur sollte niemand eine Freundschaft absichtlich zerstören.«
    »Würde es unsere Freundschaft zerstören, wenn ich es deinen Eltern erzählte?«
    »Ich meine nicht unsere Freundschaft. Ich meine die Freundschaft mit ihnen. Es wird ihnen nicht recht sein, wenn andere Menschen davon erfahren. Sie vertrauen mir.«
    Sie lächelte ihn an, und in ihrem Lächeln lag eine mutwillige Bosheit. »Die dumme Sally hat sie heute abend gesehen, aber sie glaubt nicht an sie, deshalb macht es nichts aus. Sie ist viel zu blöde, um zu wissen, was wirklich ist.«
    Der Druck, der ihm die Brust einengte und ihm Kehle und Mund trocken machte, wurde zuviel für Max. Sein Kopf schmerzte unerträglich.
    Die heiße Nachtluft senkte sich auf ihn herab, hüllte ihn ein und drohte ihn mit der Hitze und dem schweren Duft der eingetopften Geranien auf den dunklen Stufen zu ersticken.
    »Wir werden sehen«, meinte er schließlich. »Warten wir ab, bis deine Eltern zu Hause sind.«
    »Ich kann nicht warten«, sagte Clarissa mit dünner Stimme. »Sie müssen es auf der Stelle wissen.«
    »Wovon redest du?«
    »Sie müssen wissen, ob du es meinen Eltern erzählen wirst.« Sie stand auf und ging zu der Laterne und schlug nach den Insekten, die um das Licht tanzten. »Ich hab dir doch gesagt, sie vertrauen mir.«
    »Du meinst … ob ich erzählen werde, daß sie jetzt hier sind … bei dir? Du meinst, sie wollen, daß eure Freundschaft für immer ein Geheimnis bleibt?«
    »Ja«, sagte Clarissa. »Für sie ist seit diesem Sommer alles anders. Jetzt können sie hierbleiben. Die Dinge haben sich geändert, und sie können für lange Zeit hierbleiben, wenn sie es wollen.« Die Laterne, die über und hinter ihr brannte, warf Schatten auf ihr
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