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Ein leicht versalzenes Jahr

Ein leicht versalzenes Jahr

Titel: Ein leicht versalzenes Jahr
Autoren: Frieda Lamberti
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anstellt. Zugegeben, die Kommandos unseres Lehrers sind nicht unbedingt leicht verständlich. Seine Englischkenntnisse sind noch sehr ausbaufähig.

Ich setzte mich auf den Vespa Roller und düse nach Hause. Auf dem Hof duftet es schon wunderbar nach Knoblauch und Kräutern und ich weiß, dass Maria zum Abend Lamm zubereitet hat. Ich habe einen unbeschreiblich großen Appetit und stürze freudestrahlend zur überdachten Terrasse.
   »Ich decke den Tisch«, rufe ich während ich mir den Helm vom Kopf nehme.
   »Nicht nötig, das habe ich schon übernommen.«
   »Martin!«
Oh, was für eine schöne Überraschung. Ich setze mich auf seinen Schoß und überschütte sein Gesicht mit Küssen.
   »Warum hast du nichts gesagt? Ich wäre doch hier gewesen, wenn ich gewusst hätte, dass du kommst.«
   »Du segelst?«, fragt er mich erstaunt und begeistert zugleich. »Keine Angst mehr?«
   »Nein, es ist himmlisch. Sag, wie lange bleibst du? Bestimmt können wir morgen zusammen in See stechen. Würde dir das gefallen?«
   »Meine Güte, bist du euphorisch. Du bist ja gar nicht wiederzuerkennen.«
   »Ja. Jetzt ist der Glückmoment vollkommen. Liebling, lass uns in den Süden ziehen. Lass uns endlich leben und die ganze verlorenen Zeit nachholen.«
Er nickt mir sofort zu und umklammert mich ganz fest.
   »Ja, Lotte. Wir werden keinen einzigen Tag mehr vergeuden.«

Der Riese und ich teilen uns ein 90 cm breites Bett in der Nacht. Zum Schlafen kommen wir aufgrund der Enge nicht und beschließen bei Sonnenaufgang das Haus zu verlassen und an den Strand zu fahren. Ich breite eine Decke aus und wir können uns endlich beide lang machen. Wir sind allein am Strand und schauen auf das Meer, das kleine Wellen in den Sand spült.
   »Warum hast du nicht mit mir gesprochen? Weshalb machst du alles allein mit dir aus. Ich bin dein Mann, auch wenn wir noch nicht verheiratet sind. Seit wann weißt du es?«
   »Was meinst du?«
   »Seit wann musst du diese Medikamente nehmen?«
Seine Stimme ist zittrig und ihm steht die Angst ins Gesicht geschrieben. Er zieht ein Päckchen aus seiner Hosentasche und sieht mich mit tränenerfüllten Augen an. Ich weiß nicht, was seine Frage soll und sage
   »Ich nehme keine Medikamente.«
   »Lotte, bitte! Ich weiß Bescheid. Ich habe sie Doktor Brühning gezeigt und er hat mir bestätigt, dass es sich dabei um Zytostatika handelt, also bitte. Sei doch bitte endlich ehrlich zu mir.«
   »Wo hast du die Schachtel her?«
   »Ich habe sie im Abfalleimer im Badezimmer gefunden.«
   »Das sind nicht meine. Ich weiß noch nicht einmal was Zytostatika sind.«
   »Leugne es nicht. Es ist doch offensichtlich, dass du krank bist. Jeder hat es bemerkt. Nur ich nicht. Weil ich blind und taub war. Ich habe alle Anzeichen ignoriert, dabei hätte ich es als erster sehen müssen, dass du so abgenommen hast. Und deine Bemerkung mit der Sonnen- und Schattenseite habe ich auch nicht ernst genommen. Aber das ist jetzt vorbei, Liebling. Ich werde mich um dich kümmern und dir über die Mauer helfen. Hörst du, hab keine Angst, ich werde alles für dich tun. Ich steige aus der Firma aus und wir beide werden leben. Hier im Süden oder wo immer du willst....«
   »Martin hör auf! Noch einmal, ich bin nicht krank und das sind nicht meine Tabletten. Wenn es also nicht meine sind, und ich nehme mal an, dass es auch nicht deine sind, dann können sie nur Anja gehören. Was genau hat Corinnas Doktor gesagt?«
   »Es sind wirklich nicht deine?«
   »Nein, verdammt. Was hat er gesagt? Nun rede schon.«
   »Dass dieses Medikament die einzige Möglichkeit ist, die Krebszellen im Hirn zu bekämpfen. Orale Chemotherapie. Das Präparat wird bei Patienten eingesetzt, die einen inoperablen Hirntumor haben.«
   »Bösartig?«
   »Ja.«
   »Martin, wir müssen sofort nach Hause.«

Im August, beim ersten Regen, pflegt die Hitze sich zu legen

Mein nicht angetrauter Mann ist sichtbar erleichtert. Während des Rückfluges hält er ständig meine Hand und drückt sie immer wieder fest. Ob ich überhaupt eine Vorstellung habe, wie er sich gefühlt hat, nachdem Dr. Brühning ihm gesagt hat, wie gering die Chancen auf Heilung stehen, will er wissen. Ja, ich habe eine präzise Vorstellung. Denn genau so fühle ich mich jetzt gerade. Meine beste Freundin hat Krebs und hat mir kein Wort gesagt. Mir wird schlagartig klar, dass ihr hemmungsloses
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