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Ein leicht versalzenes Jahr

Ein leicht versalzenes Jahr

Titel: Ein leicht versalzenes Jahr
Autoren: Frieda Lamberti
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nicht vorher ankündigen können?«
Ich liebe Überraschungen, aber diese Art gehört nicht dazu. Im Flur nehme ich ihr den Mantel ab und bitte sie, mit mir ins Obergeschoss zu kommen. Sie inspiziert die Räume und ich nutze den Augenblick, mein derangiertes Gesicht im Badezimmer mit etwas Abdeckpuder aufzumöbeln. Mit mittelmäßigem Erfolg. Nach ihrer Frage, wo Martin steckt, mustert sie mich und ich bin in Erklärungsnot.
   »Kein guter Tag, um mich richtig kennenzulernen, Frau Seibert. Ich habe heute meinen Hund einschläfern lassen müssen und bin ein wenig neben der Spur.«
   »Ich mag keine Hunde. Die Viecher stinken und bringen nur Ungeziefer ins Haus.«
Aha. Eine Tierhasserin! Die hat mir in diesem Moment gerade noch gefehlt.
   »Was darf ich Ihnen anbieten? Kaffee?«
   »Um diese Zeit? Dann bekomme ich heute Nacht kein Auge mehr zu.«
Sollte sie auch Teetrinkerin wie Martin sein, hätte ich noch Darjeeling, Roibusch und Utes Yogi Tee im Angebot. Aber Tee lehnt sie auch ab.
   »Ich trinke das, womit du dich abgefüllt hast. Gib mir gleich einen Doppelten, damit ich mit dir auf Augenhöhe bin und dann lass dieses blöde Frau Seibert. Ich bin Gerlinde. Sag einfach Linde zu mir.« Unauffällig nehme ich sie näher ins Visier und staune über das ungewöhnliches Outfit einer Mittsiebzigerin. Zu einer extrem weiten, schwarzen Lagen Look Hose trägt sie ein enges, neongelbes Print Shirt mit dem Aufdruck »Bitte lächeln!!«
Ihre schlohweißen Haare sind zu einem dünnen Zopf zusammengeflochten. Erst jetzt bemerke ich den langen Ohrschmuck, der von ihren Läppchen bis zur Schulter hinunter reicht. Soll das etwa eine Feder sein? Mein Blick ist noch deutlich verschwommen und ich steige von Grappa auf Kaffee pur um.
   »Santé«, prostet sie mir zu. Französisch. Aha. Ich hätte auf Ibiza getippt. Das ist doch die Insel der Alt Hippies. Aber Linde klärt mich auf. Sie lebt seit fast zehn Jahren an der Cote d’Azur und zählt sich zu den bildenden Künstlern.
   »Was genau?«, will ich wissen und beschränke meine Nachfragen auf kurze Sätze. Vor meinem inneren Auge baut sich das Bild von Gerlinde, nein von Linde auf, wie sie mit einem großen Basthut bekleidet auf einem Hocker vor einer Staffelei sitzt und die kleinen Strandbuchten in Öl, Kohle oder Aquarellfarbe auf Leinwand bringt. Aber mal wieder irre ich mich, denn sie zeigt mir auf ihrem Handy Fotos ihrer Kunst.
   »Du bist Bildhauerin?«, frage ich und versuche meinen Blick zu schärfen. Noch einmal betrachte ich das Foto der männlichen Statue und versuche hoch konzentriert die Anzahl der langen Penisse zu zählen, die aus dem Sandstein Adonis hervorragen.
  »Der hat ja drei Schwänze!«, sage ich, nachdem ich mir ein Auge zugehalten und immer wieder nachgezählt habe.
   »Ganz genau. Das sollte mein Hochzeitsgeschenk für euch werden.«
Nun ist es passiert. Ich kann mein Kichern nicht mehr zurückhalten. Immer wieder versuche ich zur Ernsthaftigkeit zurückzukehren, aber das ist angesichts dieser außergewöhnlichen Kunst nicht möglich.
   »Soll das etwa Martin sein?«, gluckse ich und ringe immer wieder nach Luft. Der Größe nach, könnte es passen. Und hier meine ich die Körpergröße. Denn in Natura soll die Skulptur seine stattliche Größe von zwei Metern haben. Ich schenke ihr nach und gönne mir ein kaltes Wasser. Linde will wissen, ob es mir gefällt.
   »Im Ernst? Ein Mann mit drei Schwänzen? Das ist doch wohl der Traum jeder Frau.«
Wobei hier anzumerken ist, dass es sich auch um einen Alptraum handeln könnte.
   »Ich hatte schon befürchtet, dass du es vulgär finden könntest. Die prüde Corinna war kein Fan meiner Kunst.«
War sie nicht? Wundert mich nicht, dass diese humorlose Zicke, darüber nicht lachen konnte.
   »Was denkst du über Eberhard. Was sagt er dir?«
   »Wer?«
   »Na, die Figur. Ich habe ihn Eberhard getauft.«
   »So, getauft ist er auch schon«, lache ich laut. »Und ausgerechnet auf Eberhard. Das passt ja.«
   »Wohin mit ihm? Die Männer von der Spedition sollten jeden Moment eintreffen. Er ist nicht Outdoor tauglich. Also besser du suchst für ihn einen geeigneten Platz im Haus.«
Wie schade, denke ich lautlos. Vor der Eingangstür hätte sich der nackte Riese mit dem mächtigen Dreier Gehänge doch ausgezeichnet gemacht. Während ich noch überlege, wie King Kong, der Postbote und meine Vormittagsdamen auf diesen Türsteher reagieren
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