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Ein kleines Stück vom Himmel nur

Ein kleines Stück vom Himmel nur

Titel: Ein kleines Stück vom Himmel nur
Autoren: Amelia Carr
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gefühlt, so als hätte sie genug. Der Tod selbst schreckt sie nicht. Die Menschen, die sie geliebt hat – Mac, Joe, John –, sind schon vor ihr gegangen und erwarten sie. Sie ist bereit, ihnen nachzureisen. Mit Ellen hat sie, Gott sei Dank, Frieden geschlossen. Sie hat all ihre Angelegenheiten geordnet. Und diese eine letzte Sache kann sie noch für Ritchie tun. Es wird nicht den geringsten Beweis gegen ihn geben, dafür wird sie sorgen. Und erreichen wird sie das, indem sie dem Beispiel ihres geliebten John folgt.
    Nancys Blick, der auf den Horizont gerichtet ist, verschwimmt, und einen Moment lang fühlt sie sich vollkommen eins mit ihrem lange verlorenen Sohn. Die Aussicht, die sie vor sich sieht, ist auch die letzte Aussicht, die er hatte. Nur die Tageszeit ist eine andere, der Himmel ist mit rosaroten Streifen überzogen, die aquamarinblaue Dünung unter ihr hat eine dunklere Farbe als das Meer, über das er geflogen ist. Ach, John, mein lieber John, hast du wohl das gleiche empfunden wie ich? Den erlösenden Frieden, der auf die quälende Unentschlossenheit folgt? Die Bereitschaft, ganz und gar anzunehmen, dass bald alles vorbei sein wird?
    Dann denkt sie an Sarah und nimmt sich einen Moment, um Wärme und Dankbarkeit für alles zu empfinden, was Sarah für sie war. Sie betet, dass ihre Enkelin noch das Glück und die Zufriedenheit finden wird, die ihr bisher versagt blieben.
    Sie denkt an Joe, den lieben Joe, der sie so sehr geliebt hat, dass er bereit war, ihr allen Schmerz zu vergeben, den sie ihm zugefügt hat, und sie hofft, dass sie ihm am Ende doch noch das Glück schenken konnte, dass er so sehr verdient hatte. Irgendetwas in ihr wird ganz weich, als sie an ihn denkt. Ihnen war etwas ganz Besonderes vergönnt: Indem sie die schlechten Zeiten gemeinsam durchstanden, bauten sie die Basis für eine sehr enge Beziehung auf. Es war genau, wie sie es schon vor langer Zeit einmal gesagt hatte: Dass sie Mac liebte, bedeutete nicht etwa, dass sie Joe nicht liebte. Sie liebte Joe sogar sehr, bloß auf eine andere Art. Mac war ein ferner Traum; Joe wurde die Wirklichkeit, ihr langjähriger Ehemann, der Vater ihrer Kinder. Gemeinsam bauten sie die Firma auf. Sie ist überzeugt davon, dass Joe von all ihren Angehörigen wohl am besten verstehen könnte, warum sie diesen Schritt geht. Für Ritchie und für den guten Ruf ihres anderen »Babys«, für Varna Aviation.
    Sie denkt an Mac. Ach Gott, wann hätte sie mal nicht an Mac gedacht? Er sitzt jetzt neben ihr, auf dem rechten Sitz, sein markantes Gesicht umrahmt vom Kragen der Fliegerjacke; er blickt sie an, eine Augenbraue leicht hochgezogen.
    Â»Ich schlage vor, Sie werfen mal einen Blick auf den Höhenmesser, Miss Kelly!«
    Â»In diesem Flugzeug riecht’s ja wie in einem französischen Bordell!«
    Â»Komm mit mir nach England, Nancy.«
    Â»Liebst du mich, Mac?«
    Â»Das weißt du doch.«
    Â»Sag es. Bitte, Mac, sprich es aus!«
    Â»Ich liebe dich, Nancy.«
    Sie ist jetzt weit draußen über dem Golf von Mexiko. Weit, weit draußen.
    Es ist Zeit. Zeit zu tun, was sie tun muss.
    Nancy steigt noch tausend Fuß höher, nur um ganz sicher zu gehen. Dann senkt sie die Nase des Flugzeugs, bis sie auf das Wasser zeigt. Das Steuerhorn zittert protestierend in ihren Händen. Nancy sammelt all ihre schwindende Kraft, um es nach vorn zu drücken. Das Wasser rast auf sie zu, ihr ist schwindlig, ganz schwindlig. Aber sie ist entschlossen. Und zufrieden.
    Was für ein Leben hat sie doch gehabt! Und nun, am Ende, das tun zu können ist ein Segen, ein Geschenk Gottes.
    Und dann, noch ehe sie Zeit hat, es richtig zu merken, ist alles vorbei. Die Beech prallt auf das Wasser, zerschellt und ist verschwunden. Nichts bleibt, nur das Auf und Ab des Meeres und der Himmel am Horizont, der sich mit der Morgendämmerung silbrig färbt.

VI
    Gloucestershire, England
    Â»Bist du dir sicher, Mum?«
    Sarah, die am Steuer sitzt, wendet ihren Blick kurz von der Straße ab und schaut zu Ellen auf dem Beifahrersitz hinüber. Es ist nun nicht mehr weit bis zu der Abzweigung nach Monkshaven, in die Siedlung, die entlang der Sackgasse gebaut ist. Sind sie erst einmal auf diese Straße abgebogen, gibt es keine Möglichkeit mehr zu wenden, ohne dass sie an Chris Mackenzies Haus vorbeifahren.
    Ellen ist ein wenig blass, findet Sarah, aber immerhin signalisiert ihr Mund
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