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Ein Kind, das niemand vermisst

Ein Kind, das niemand vermisst

Titel: Ein Kind, das niemand vermisst
Autoren: Kody DeVine
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mitgehört hatte. Daraufhin wurde sie ganz blass und ich sollte ihr schwören, niemandem etwas davon zu sagen. Sie sagte, dass er uns sonst umbringen würde. Sie sagte, dass er mit »Quittung kassiert« meinte, er hätte Sean getötet.«
    »Aber du hast es jemandem gesagt, oder?«
    Chloe traten erneut Tränen in die Augen. »Ja. Jayden. Er war Seans bester Freund und früher oft bei uns. Er hat mir Radfahren beigebracht. Zusammen mit Sean. Er war wie ein großer Bruder. Manchmal hat er mir eine Pizza ausgegeben. Er sagte, ich solle es keinem erzählen.«
    »Wieso?«
    »Er meinte, dass man mir nicht glauben würde. Und dass Tom sehr gefährlich ist.«
    »Was war an dem Tag los, als du von zu Hause weggelaufen bist, Libby?«
    »Tom hatte wieder angerufen. Dieses Mal ganz früh. Libby schlief noch, Mum auch, also hob ich ab. Er war glaube ich sehr betrunken. Zuerst verstand ich ihn gar nicht, aber dann sagte er, er würde Mum umbringen. Er sagte furchtbare Dinge und ich knallte den Hörer auf. Dann nahm ich meinen Rucksack und mein Fahrrad und fuhr nach Upper Milwood.«
    »Woher wusstest du eigentlich von dem Haus?«
    »Von Mum. Sie hat es mir erzählt, als sie völlig betrunken war. Sie meinte, ihr gehört ein wunderschönes Cottage, das seit Jahren leer steht, aber in das sie nie wieder zurück will.«
    »Und was hast du dann in Upper Milwood gemacht?«
    »Ich hab mich in der Laube versteckt. Gelesen, geschlafen und überlegt, was ich tun soll. Aber dann wurde es Abend und ich bekam Angst. Also bin ich zurück in die Stadt und habe von einer Telefonzelle Jayden angerufen. Er sagte ich solle sofort vorbeikommen.«
    »Hast du das getan?«
    »Ich war am anderen Ende der Stadt und mein Fahrrad hatte einen Platten, so dass ich es irgendwo abstellen musste. Ich lief so schnell ich konnte zu Jayden.
    Die Hauseingangstür war auf, also bin ich gleich hoch. Vor der Wohnungstür hörte ich Stimmen und dann sah ich, dass die Tür einen Spalt offen stand. Ich schlich mich rein und die Stimmen wurden lauter. Jayden schrie irgendwas und dann stand ich im Türrahmen und sah wie Tom...wie Tom...auf Jayden mit dem Messer...einstach.« Ihre Stimme wurde immer brüchiger. Mit dem Ärmel wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht. »Ich glaub, ich hab geschrien, aber ich weiß es nicht mehr. Er hat mich gesehen, er hatte immer noch das Messer in der Hand und Jayden lag auf dem Boden. Ich bin einfach nur gerannt und gerannt. Ich glaube, er hat mich verfolgt, aber vielleicht habe ich mir das auch nur eingebildet.«
    »Wohin bist du gerannt?«
    »In den Wald, dann zur Burgruine, ich wollte mich im Torhaus verstecken, aber das war nicht geöffnet. Also bin ich zurück nach Upper Milwood gelaufen. Ich weiß nicht mehr genau, wo ich lang gelaufen bin. Ich hatte solche Angst, ich bin einfach nur gerannt.«
    Die Tür ging auf und Cunningham und Miss Peters kehrten zurück. Haines sprang auf.
    »Sir, wir müssen los.«
     

    Sie nahm einen weiteren Schluck aus der Flasche, schaute in den Himmel, während sie versuchte auf dem Kantstein entlang zu balancieren. So wie früher, als sie klein war und alles noch in Ordnung schien. Als Sean da war und ihre Mutter nicht getrunken hatte.
    Nun war sie selbst betrunken, obwohl sie sich geschworen hatte niemals Alkohol anzurühren. Aber das war jetzt egal. Alles war egal. Sie warf die leere Weinflasche hinter eine Hecke, dann tastete sie nach dem Steakmesser, das sich in der Innentasche ihrer Jacke befand. Sie hatte keine andere Wahl, sie musste es tun. Das war sie Chloe schuldig. Es war ihre Schuld, dass er sie umgebracht hatte. Sie hätte sie schützen müssen. Vor allem aber hätte sie sie nicht zum Schweigen zwingen dürfen. Vielleicht wäre alles ganz anders gekommenen, wenn sie zur Polizei gegangen wäre. Doch sie war einfach nur feige gewesen.
    Mit einem Satz sprang sie vom Kantstein, lief quer durch den Park und wartete an der roten Ampel, die direkt gegenüber seinem Haus stand. Er stand im Telefonbuch. Tom Moss. Garden Street 110.
    Moss. So hätte sie heißen können, wäre er mit ihrer Mutter verheiratet gewesen. Sie blickte zu der grünen Hausfassade und fand es plötzlich seltsam, dass ihr leiblicher Vater dort wohnte. Dass sie überhaupt einen anderen Vater hatte als Robert, der sich zumindest früher gut um sie gekümmert hatte.
    Die Ampel sprang auf Grün und sie marschierte los. Der Alkohol hatte ihre Wut ein wenig dämpfen können. Doch nun spürte sie eine Traurigkeit, die mit jedem
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