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Ein Kerl macht noch keinen Sommer

Ein Kerl macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Kerl macht noch keinen Sommer
Autoren: Milly Johnson
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Blick in den Spiegel, und mit einem Mal gingen ihr die Augen auf. Sie war dabei, überzuschnappen. Ihr Spiegelbild war weiß gekleidet, aber die Farbe machte sie überhaupt nicht blass, denn sie sah sonnengebräunt und gesund aus. Sie trug ein schlichteres Kleid, in Ballerinalänge, dazu Cowboy-Stiefel, einen Stetsonhut und eine mit Rheinkieseln besetzte Weste. Hinter ihr stand Al Holly, ebenfalls in Weiß. Sie strahlten übers ganze Gesicht, denn das Paar in diesem Spiegel war verliebt. Keine Frau sollte ein Brautkleid für einen Mann tragen, in den sie nicht verliebt war, und sie wusste, dass sie für Calum Crooke niemals solche Gefühle haben würde wie die, die sie für Al Holly entwickelt hatte . Was tue ich da?
    Oh, Dee Dee, was tust du da?
    Dawns Augen schwammen vor Tränen, und nachdem sie sie mit den Fingerspitzen trockengetupft hatte, war das Bild verschwunden, und sie war wieder die Dawn in einem bodenlangen elfenbeinfarbenen Kleid, allein, weinend.
    Dawn musste eigentlich gar nicht auf die Toilette, sie hatte nur vor einer langen Reihe von Crookes flüchten wollen, Cousins zweiten oder dritten Grades. Aber sie musste unbedingt durchatmen . Sie fühlte sich, als sei der ganze Sauerstoff aus dem Gebäude gesaugt worden und durch irgendetwas Schweres, Klebriges ausgetauscht worden.
    Wer ist denn dieser Mann? Dieser Mann da mit dem Hut?
    Charlottes Worte schossen ihr durch den Kopf, und auf einmal begriff Dawn, was sie auf diesem Foto gesehen hatte.
    Wir wollen doch nur, dass du glücklich bist.
    » O Gott, kann ich wirklich? Darf ich’s wagen?«, fragte sie die Braut im Spiegel. Die Braut nickte.
    Dawn schlüpfte durch den Notausgang neben der Toilettentür ins Freie und trat in den hellen Sonnenschein des Tages.
    Auf der Toilette zog Denise ihren Lippenstift vor dem Spiegel nach, während Demi sich etwas Parfüm ins Dekolletee spritzte.
    »Killer sieht gut aus in seinem Anzug, was?«, sagte sie. »Ich werde später vielleicht mal mein Glück bei ihm versuchen, wenn Liam nicht hinsieht. Hast du gehört, wie er gehustet hat, als es hieß: ›Wenn einer hier einen Grund weiß, warum diese beiden nicht vermählt werden sollten‹?«
    »Ich hatte halb damit gerechnet, dass in dem Augenblick Clampy aufkreuzen würde.«
    »Zugetraut hätte ich’s ihr ja. Hat unser Calum Dawn eigentlich noch gebeichtet, dass er sie an seinem Junggesellenabschied gevögelt hat?«
    »Glaube ich kaum. Hat er doch sonst auch nie, oder? Dieser Vollidiot, an dem Abend hat er’s echt übertrieben.«
    Sie erstarrten beide, als sie die Toilettenspülung in der hintersten Kabine hörten. Keine von ihnen hatte bemerkt, dass sie besetzt war. Als sie sich bückten, um einen ängstlichen Blick durch den Spalt unter der Tür zu werfen, sahen sie weißen Stoff, der den Boden berührte.
    »Scheiße!«, flüsterte Demi. »Das ist Dawn. Nichts wie weg!«
    Sie und Denise taumelten aus der Toilette, nervös kichernd. Trotz ihres Versprechens, nüchtern zu bleiben, hatte jede von ihnen mindestens eine Flasche Lambrini geleert, seit sie die Kirche verlassen hatten.
    Auf der anderen Seite des Parkplatzes bot sich Dawn der willkommene Anblick von Anna, Grace und Raychel, die in einem Halbkreis um Christie standen, die eine Zigarette rauchte. Christie versuchte, das Rauchen einzuschränken, und qualmte in letzter Zeit nicht mehr so viel, nur hin und wieder, wenn sie das Bedürfnis verspürte, sich mit ein paar Lungenzügen zu beruhigen. Und heute war einer dieser Tage.
    »Hallo, Süße«, sagte Grace, als die schöne Braut auf sie zukam. »Hast du einen tollen Tag?«
    »Nein«, sagte Dawn, während sie Grace’ Hand verzweifelt umklammerte. »Oh, Mädels, ich habe einen Riesenfehler begangen. Könnt ihr mir helfen?«
    »Ist das dein Ernst?«, fragte Christie.
    »Ich war erbärmlich, ich weiß. Ich habe Calum geheiratet, weil ich zu viel Angst davor hatte, jetzt noch einen Rückzieher zu machen, aber ich liebe ihn nicht. Ich liebe Al Holly, und er hat mich gefragt, ob ich mit ihm nach Kanada gehe, und ich habe Nein gesagt, dabei will ich das mehr als alles andere, und ich muss es tun, denn er ist der Mann auf dem Foto, und ich habe meine eigenen Gefühle ignoriert und auch das, was Tante Charlotte gesagt hat und was sie gesehen hat und was meine Mum und mein Dad mir zu sagen versucht haben … Ich weiß, das klingt für euch alle absolut unverständlich, aber für mich nicht, denn ich habe mich eben im Spiegel gesehen, und ich weiß, wo ich sein sollte.«
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