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Ein Kerl macht noch keinen Sommer

Ein Kerl macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Kerl macht noch keinen Sommer
Autoren: Milly Johnson
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in dem Moment wieder aus der Sakristei trat, als die Hymne mit einem holperigen Diskant ein paar großspuriger Crookes endete. Ihr Lächeln hätte nicht aufgesetzter sein können, selbst wenn sie es versucht hätte.
    Die Crookes versammelten sich vor der Kirche für die Fotos, und etliche von ihnen steckten sich Kippen an, sobald sie aus der Kirche traten. Anna sah, wie die üppige Mama in Babyrosa die Braut hart in die Seite knuffte und sagte: »Kopf hoch, es ist dein verdammter Hochzeitstag!« Niemand schlug vor, ein Foto von Dawn mit ihren Freundinnen zu machen. Offenbar hatten die Brautjungfern das Sagen, welche Leute sich wie für die Fotos aufstellen sollten.
    Christie fuhr im Konvoi mit den anderen zu dem Hochzeitsempfang. Der Parkplatz des Pubs war bereits voll, und sie musste ihren Wagen auf der Straße abstellen, aber von dort würde sie wenigstens leichter wieder wegkommen.
    »Ich habe das Gefühl, hier sind mehr Leute als bei Prinzessin Dianas Hochzeit!«, bemerkte Grace.
    »Ich habe das Gefühl, hier sind mehr Leute als bei Prinzessin Dianas Beerdigung«, sagte Anna.
    »Ja, und ich frage mich, wie viele davon Dawn überhaupt kennt«, sagte Christie. Sie nahm sich einen kleinen Sherry von einer Kellnerin, verzichtete aber auf die »Kanapees«, eine Auswahl von gebratenen Schweineschwarten in der Größe von Rubik’s-Cube, dreißig Zentimeter langen Würstchen im Schlafrock, geschmorten Rindfleischscheiben auf gevierteltem Fladenbrot und glühend heißen Ofenkartoffeln, an denen sich jeder die Finger verbrannte, der zufällig eine in die Hand nahm.
    Die Essensgäste saßen dicht zusammengedrängt an den Tischen. Grace gab keinen Kommentar zu dem Essen ab, aber der Blick, den sie Christie zuwarf, während sie das plastikartige Stück Fleisch auf ihrer Gabel hochhielt, bevor sie es wieder zurücklegte, sprach Bände. Anna sah die dicke Staubschicht an den Fußleisten hinter ihr. Nicht unbedingt das sauberste Lokal, dieses Loch. Als sie Dawn entdeckte, sah sie, dass sie ihr Essen kaum angerührt hatte. Calum spießte sich mit der Gabel ein Stück Fleisch von ihrem Teller auf, und sie sagte ihm, er könne es sich gern nehmen. Sie sah aus wie eine Degas-Tänzerin vor einem Lowry-Hintergrund: einfach absolut fehl am Platz.
    Nach dem Essen, als ein megastarker Kaffee serviert wurde, sagte Calum, er habe »mit Reden nicht viel am Hut«, daher wolle er »nur auf die Braut anstoßen«, und das war’s. Der Trauzeuge des Bräutigams machte das mehr als wett mit seinen fast schon peinlich schlüpfrigen Geschichten über Calums früheres Liebesleben, die die Braut beschwichtigen sollten, dass Calum niemals fremdgehen würde, tatsächlich aber genau das Gegenteil erreichten, zur großen Belustigung der inzwischen lauten und schwankenden Crooke-Familie und ihres Gefolges.
    Die ersten Leute gingen jetzt hinüber in die Bar, unter ihnen auch Dawn. Sie brauchte etwas Frischluft.
    »Wohin willst du denn?«, sagte Muriel zu der Braut. »Ich habe ein paar Tanten und Onkel, die dich gern kennen lernen wollen.«
    »Ich muss auf die Toilette«, sagte Dawn. »Ich bin gleich wieder da.«
    »Okay«, sagte Muriel und hielt Ronnie ihr Glas hin, damit er ihr noch einmal nachschenkte. Sie konnte es kaum noch erwarten, bis das Karaoke endlich losging.
    An der Wand vor der Toilette war ein langer Spiegel. Dawn ging an ihm vorbei, dann wandte sie sich noch einmal um und starrte ihr Spiegelbild an. Was zu ihr zurücksah, war die kläglichste Braut der Welt, eine todunglückliche Frau. Sie würde keine schönen Erinnerungen mit diesem Kleid verbinden. Sie konnte es morgen wieder einpacken, es Freya zurückgeben und nicht mehr darüber nachdenken. Außerdem war sie sich sicher, dass Freya sich mit den Maßen vertan hatte, denn sie bekam kaum Luft darin, so eng lag es an ihrem Körper. Seien Sie tapfer , hatte Freya gesagt. Sie war alles andere als tapfer gewesen; sie war dumm und idiotisch und schwach gewesen. Wie mit den Worten dieser letzten Hymne: Ich bin schwach, doch Du bist mächtig . Sie hätte diese Zeile genauso gut vor dem ganzen Crooke-Clan singen können. Sie hatte sich von ihnen allen herumschubsen, -kommandieren, einschüchtern und kontrollieren lassen, weil sie sich nach ihrer Liebe und Anerkennung gesehnt hatte, genug, um sich wie ein Opferlamm hinzulegen. Und das Einzige, was sie sich damit wirklich eingehandelt hatte, war ihr eigener Ärger darüber, dass sie sich so leicht plattwalzen ließ. Sie warf noch einmal einen
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