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Ein Jahr in Andalusien

Titel: Ein Jahr in Andalusien
Autoren: Veronica Frenzel
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Granada“.
    Meine Vorfreude auf unseren Ausflug wächst. Während wir auf Pedro warten, erzähle ich Esther, dass ich Jaime wiedergetroffen habe. „Ich habe ihn auch
ein paar Mal im Eshavira getroffen und er hat mich immer nach dir gefragt“, sagt sie sofort. „Und du hast mir nichts gesagt?“, will ich sie fragen,
lasse es dann aber lieber. Schließlich habe ich auch niemandem erzählt, dass ich immer noch an Jaime dachte. Als Pedro kommt, brechen wir sofort
auf.
    Sobald wir auf die Alpujarra-Landstraße fahren, die von Lanjarón bis nach Laujar de Andarax führt, in die Alpujarra von Almería, verändert sich die
Landschaft. Die Berge ragen im Norden immer höher auf, und die ersten weißen Dörfer ducken sich auf den kahlen Hügeln und in den schroffen Tälern; im
Süden hat sich der Rio Guadalfeo ein tiefes Tal gegraben. Meine Gedanken wandern wieder zu GeraldBrenan, der das Gebirge Sierra Nevada
von Granada aus zu Fuß überquerte, um in die Alpujarra zu gelangen. Seine Bücher hatte er auf die Rücken von zwei Maultieren gepackt. Asphaltierte
Straßen gab es Anfang des 20. Jahrhunderts in Andalusien noch nicht, größere Städte waren über Feldwege miteinander verbunden. Die Alpujarra zu erkunden
muss damals noch ein echtes Abenteuer gewesen sein.
    Jetzt sind wir gemütlich in meinem VW-Bus unterwegs. In Orgiva biegen wir in Richtung Pampaneira ab, das im touristisch bestens erschlossenen
Poqueira-Tal liegt, doch schon nach ein paar Kilometern auf der kurvigen Bergstraße gibt mir Pedro zu verstehen, dass wir links auf eine Schotterpiste
einbiegen müssen. „Ich wusste gar nicht, dass dort ein Dorf liegt.“ Während meiner Studienzeit in Granada war ich viel im Tal des Río Poqueira
unterwegs, hier verlaufen einige der schönsten Wanderwege der Alpujarra; und ich dachte, ich würde die Gegend kennen. „Na ja, genau genommen ist es auch
kein Dorf, wo wir hinfahren, eher eine Art Zeltlager.“ Ich sehe ihn entgeistert an. „Beneficio ist so etwas wie eine Hippie-Kommune“, klärt mich Pedro
auf. Damit habe ich nicht gerechnet. Von den alternativen Zeltlagern um Orgiva hatte ich gehört, und ich wollte sie mir auch unbedingt ansehen. Dass ich
aber so schnell eine Innenansicht bekommen sollte, hätte ich nicht gedacht.
    Die Forststraße bringt uns in ein schmales Tal und endet an einem riesigen Parkplatz, auf dem das Leben tobt. Mein VW-Bus ist in bester
Gesellschaft. Noch ältere Modelle stehen neben heruntergekommenen Campingwagen und anderen alten Bussen, nicht wenige haben deutsche Nummernschilder;
dazwischen spielen Kinder, die Eltern kochen bei offenen Türen und plaudern mit den Nachbarn. „Nicaren und Henry wohnen dort oben“, erklärt Pedro, er
streckt seine Hand fast senkrecht in die Höhe. Oberhalb des Parkplatzes ist nur der Rand einer Hochebene zu sehen, dieWand ragt steil,
bestimmt dreißig Meter empor. Wir schnüren unsere Wanderstiefel, schultern die Rucksäcke, und Pedro und ich teilen uns die Last der Kühltruhe. Auf dem
Weg zum Domizil von Esthers und Pedros Bekannten passieren wir Zelte unterschiedlicher Größe und Form, ein riesiges Tipi, das ein Schild als
Gemeinschaftsraum kennzeichnet, und sogar ein paar aus Brettern gezimmerte Buden. Bunte Klamotten baumeln an Wäscheleinen, die kreuz und quer zwischen
die Bäume gespannt sind.
    Ein junger Mann mit langen Rastalocken kommt uns entgegen und will uns selbstgebackenes Brot verkaufen. Sein Spanisch hat einen starken italienischen
Akzent. Mich hat er mit dem Angebot gleich geködert; vor allem, weil mich brennend interessiert, wie der Junge hier ohne Strom und fließend Wasser als
Bäcker tätig sein will. Er führt mich hinter eines der gezimmerten Häuser. Dort steht eine Kiste, die mit einfachem Alupapier ausgeschlagen ist, daneben
liegen mehrere Laibe Brot. „Das ist mein Solarofen“, sagt er stolz und drückt mir ein kleines Brot in die Hand. Ich breche sofort ein Stück ab und
schiebe es mir in den Mund. Etwas länger hätte der Teig im Ofen sein können, aber den Umständen entsprechend schmeckt es wirklich lecker. Dann laufen
wir weiter, am Wegrand reihen sich weiter Zelte aneinander. Dazwischen spanisches, englisches und deutsches Wortgewirr, dumpfes Trommeln, knallbunte
Kleider, junge, alte Menschen. Ich komme aus dem Staunen nicht heraus.
    Während wir weiter durch diese andere Welt laufen, erfahre ich von Pedro, dass seine Freundin Nicaren eigentlich Encarnación heißt, aber weil der Name,
der übersetzt
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