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Ein Jahr in Andalusien

Titel: Ein Jahr in Andalusien
Autoren: Veronica Frenzel
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manche
stecken auch Geldscheine in ein dickes Sparschwein, das plötzlich wie aus dem Nichts aufgetaucht ist. „Das Geld bekommt der Verein, der die Feierorganisiert“, erklärt Juan, der meinen erstaunten Blick bemerkt hat.
    Nachdem wir eine lange Reihe von Präsenten entgegengenommen haben – von der Rückgabe des Heiligen ist noch nicht die Rede –, ist Zeit zum
Mittagessen. „Es geht erst am Nachmittag weiter. Ich habe alle Zutaten da, um Gazpacho zu machen. Habt ihr Lust?“, fragt Juan. In der heißen Jahreszeit
gibt es kein besseres Mittagessen als die kalte andalusische Tomatensuppe. Ohne zu zögern, folgen wir ihm wieder zu Barbaras Wohnung.
    „Wir gehen jetzt auch unter die Bauarbeiter“, sagt Jaime, als wir alle drei in der Küche stehen und Tomaten, Gurken, grüne Paprika, Zwiebeln und
Knoblauch klein schneiden. Juan sieht Jaime fragend an. „Wir werden die Wohnung renovieren“, sagt er freudestrahlend und fängt an, seine Pläne
detailliert zu erzählen. „Wollt ihr das alles selber machen?“, fragt Juan voller Respekt und blickt mich fragend an. „Ich habe so etwas noch nie
gemacht …“, sage ich leicht verunsichert. „Du wirst schon sehen, das macht Spaß. Vor allem, wenn du die Fortschritte siehst“, sagt Jaime schnell.
    Juan gibt die zerhackten Tomaten, Zwiebeln und Knoblauch in eine Kanne und zerbröselt noch ein altes Brot. Dann mixt er alles mit dem Pürierstab. Er
holt drei Schalen aus einem der Schränke und gießt die hellrote Flüssigkeit hinein. Die geschnittene Gurke und die Paprika streut er darüber, in jede
Schale legt er noch einen Eiswürfel. Fertig ist unser Mittagessen. Wir tragen alles auf einem Tablett hinaus auf die Terrasse, die jetzt am frühen
Nachmittag im Schatten liegt. Schweigend vertilgen wir die kalte Suppe.
    „Juan, ich werde bald deine Hilfe brauchen“, sage ich, als wir fertig sind. „Ich werde einen Wanderführer über Andalusien schreiben und bin deshalb
auf der Suche nach den schönsten Routen.“ Juan ist begeistert. „Natürlich helfe ich dir. Vor allem hier in der Serranía de Ronda und in denNaturparks Sierra de las Nieves und Sierra de Grazalema kenne ich mich wirklich gut aus. Sobald es etwas kühler wird, Ende September,
können wir loslegen.“ Und mit einem Seitenhieb zu Jaime fügt er an: „Das heißt, an manchen Wochenenden musst du alleine in der Wohnung werkeln.“ „Das
kommt gar nicht in Frage, Jaime kommt natürlich mit. Dann dauert der Umbau eben etwas länger“, sage ich.

    Am Nachmittag schaffen es die stark angeschlagenen Christen, in einem gewagten Manöver die beiden Söhne des Maurenanführers zu
entführen. In einer langen Verhandlung kommen die beiden Lager überein, dass die Mauren den Schutzheiligen zurückgeben, wenn die Christen im Gegenzug
die Söhne des Anführers freilassen. Doch als die Christen ihren Teil der Abmachung erfüllt haben, machen die Mauren keine Anstalten, die Statue
herauszurücken. Wutentbrannt rufen die zahlenmäßig unterlegenen Christen zum Angriff. In einer kurzen Schlacht bezwingen sie die Mauren und stellen sie
vor die Wahl: Entweder sie konvertieren zum Christentum oder sie verlassen Spanien. Die Musikkapelle spielt auf und Mauren und Christen versammeln sich
gemeinsam vor der großen Bar auf dem Platz, wo Bier und Wein ausgeschenkt wird.
    „Die meisten Mauren sind dann zum Christentum übergetreten und hießen ab sofort Morisken – also konvertierte Muslime. Aber heimlich praktizierten sie
natürlich weiter den muslimischen Glauben. Die Christen unterdrückten sie jedoch immer mehr und nahmen ihnen nach und nach ihren gesamten Besitz weg“,
erklärt uns Juan, als wir, immer noch als Mauren verkleidet, schon gemütlich mit Christen am Biertisch sitzen. „Deshalb kam es zu weiteren Aufständen,
und im Jahr 1570 wurden alle Mauren, auch die Konvertiten, endgültig des Landes verwiesen.“ „Dafür kommen die Muslime jetzt wieder zurück, und viele
Spanierkonvertieren zum Islam“, ergänze ich. „In Granada gibt es schon eine riesige islamische Gemeinde, der Präsident war früher
Katholik.“ „Auch in Málaga gibt es mittlerweile eine riesige Moschee“, fügt Jaime hinzu.
    Bis spät in die Nacht bleiben wir auf der Bierbank sitzen und reden über das Erbe der Mauren in Andalusien. Nur ab und zu steht einer auf, um Bier und
einen Teller mit Käse- und Schinkenaufschnitt zu holen. „Den schönsten Nachlass der Mauren findest du übrigens in Córdoba“, sagt Juan zu später
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