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Ein Jahr in Andalusien

Titel: Ein Jahr in Andalusien
Autoren: Veronica Frenzel
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Besucher nur auf Anmeldung empfangen werden. Bevor ich die Moschee eilig
verlasse, sehe ich noch, dass am nächsten Dienstag ein Vortrag über den modernen Islam in Granada stattfindet. Klingt spannend, ich notiere mir den
Termin im Notizbuch.
    Als ich bei Charo klopfe, macht sie sofort auf. Sie trägt einen weißen Kittel, voller Farbtupfer, und auch ihre Hände haben ein paar Spritzer
abbekommen. „Ich habe gerade meine kreative Phase“, sagt sie und lacht verlegen. „Willst du einen Kaffee?“ Sicher, auch wenn ich gerade einen
getrunken habe, sage ich nicht nein. Denn das ergibt eine gute Gelegenheit, mit Charo zu plaudern. Während sie sich in der Küche zu schaffen macht,
schaue ich mir die Wohnung genauer an. Obwohl ich schon so oft da war, habe ich mir die Zimmer nie genau angesehen. Die Wände sind innen genauso weiß
gekalkt wie außen. Das Wohnzimmer, wo ich schon so oft gesessen bin, hat einen großen offenen Kamin, davor sind zwei gemütliche Sofas angeordnet,
dahinter ein großer Esstisch und ein Bücherregal. Eine schmale Treppe führt von hier hinauf auf die Dachterrasse, ein Gang zu den übrigen
Zimmern. „Deines ist das auf der linken Seite!“, ruft Charo mir aus der Küche zu; anscheinend hat sie mitbekommen, dass ich die Wohnung inspiziere. Ich
öffne die Tür und stehe in einem winzigen Raum, der fast vollständig von einem Doppelbett ausgefüllt ist. Unter einem Fenster stehen ein kleiner
Schreibtisch und ein Stuhl, rechts einBücherregal, links eine Kommode. Eigentlich ist das Zimmer viel zu klein, um sich wohlzufühlen,
aber der Blick aus dem Fenster überzeugt mich sofort. Außerdem ist es bestimmt spannend, mit Charo zusammenzuleben. Vor mir sehe ich die Alhambra,
dahinter das Gebirge Sierra Nevada. „Die Aussicht ist ja unschlagbar“, sage ich zu Charo, als ich wieder in der Küche bin. Wir bleiben an dem runden
Tisch sitzen, auf der Dachterrasse ist es jetzt um elf Uhr schon viel zu heiß.
    Ich verrate Charo nicht, wie sehr es mich auch reizt, ihr Künstlerleben in Nahaufnahme zu sehen. Vielleicht lerne ich von ihr ja, ein bisschen mehr in
den Tag zu leben und nicht immer alles so genau zu planen. „Darf ich deine Bilder sehen?“, frage ich sie also. Charo ziert sich erst ein wenig, führt
mich dann aber doch in ihr Atelier. Ein kreatives Chaos. An den Wänden lehnen bunte Farbexplosionen. Anstatt auf Leinwände malt sie ihre lebensfrohen
Gemälde auf ausrangierte Holztüren. Am Boden stehen Töpfe mit einem großen Vorrat an Grundfarben. „Que original!“, sage ich, und Charo sieht unsicher
zu Boden. „Findest du?“ Ihre kreative Phase scheint vorbei zu sein, sie blickt skeptisch auf ihr Werk. „Ich muss weg, um zwölf Uhr fange ich zu
arbeiten an“, sagt sie dann unvermittelt. Charo klärt mich auf, dass sie drei Tage in der Woche in einer Tetería, einer Teestube, aushilft, um
überleben zu können. Der Job im Rathaus ist vermutlich nur ein einmaliger Großauftrag. Auch meine Miete wird ihr Einkommen bestimmt aufbessern. In
Granada ist es üblich, sich von Mitbewohnern mehr als die Hälfte des Mietpreises bezahlen zu lassen. Sie gibt mir den Schlüssel und ist schon im Bad
verschwunden.
    Auf dem Weg zu meinem VW-Bus klopfe ich bei Esther. Die beiden sind gerade mit dem Frühstück fertig geworden. „Gefällt es dir?“, fragt sie mich. „Das
Zimmer ist zwar klein, aber der Ausblick ist einmalig“, antworte ich. „Wir helfendir, deine Sachen in dein neues Heim zu bringen“,
sagt sie und stößt Pedro an. „Es ist gerade total heiß“, merke ich an, aber die beiden haben anscheinend keine Angst vor der Hitze. Voller Tatendrang
laufen sie mit mir zu meinem Auto. „Que guay! – Wie cool“, sagt Pedro, als er meinen Bus sieht. „Ich wollte auch immer so einen haben.“ „Der ist nur
etwas für jemanden, der etwas von Motoren versteht“, erkläre ich ihm, und damit es keine Missverständnisse gibt, füge ich gleich an: „Ich glaube, ich
sollte ihn bald abgeben.“ Auf den letzten Kilometern vor Granada hat der Motor verdächtig gequalmt – obwohl ich alle paar hundert Kilometer den
Kühlwasserstand überprüft habe. Zwei große Rucksäcke und zwei Kisten warten im hinteren Teil, die Fenster hatte ich für die Reise mit Tüchern verdeckt,
damit keiner auf dumme Gedanken kommt. Ich hänge mir beide Rucksäcke um, Esther und Pedro schnappen sich die Kisten.
    Wieder alleine, verstaue ich meine Siebensachen in dem Minizimmer. Als ich Fotos und Bücher im Regal
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