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Ein Hut voller Sterne

Ein Hut voller Sterne

Titel: Ein Hut voller Sterne
Autoren: Terry Pratchett
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verlegen, und die dichten Winterfelle sprangen wie die Hose eines Clowns auf und ab.
    Der Winter war interessant gewesen. Tiffany hatte viel gelernt, unter anderem dies: Man konnte Brautjungfer für ein Paar sein, das zusammen über 170 Jahre alt war. Herr Weball, mit einer hin und her rutschenden Perücke auf dem Kopf und einer großen glänzenden Brille, hatte diesmal darauf bestanden, »unserer kleinen Helferin« eine der Goldmünzen zu geben — das war viel mehr als der Lohn, um den sie nicht gebeten hatte und den Frau Grad gar nicht zahlen konnte. Mit einem Teil des Geldes hatte sie sich einen richtig guten braunen Mantel gekauft. Er wogte nicht, breitete sich auch nicht hinter ihr aus, aber er war dick und warm und hielt sie trocken.
    Sie hatte auch viele andere Dinge gelernt. Als sie an den Schafen und ihren Lämmern vorbeiging, berührte sie sanft ihren Geist, so sanft, dass sie nichts davon merkten.
    Tiffany hatte das Silvesterfest, das offiziell den Jahreswechsel markierte, in den Bergen verbracht. Es hatte viel zu tun gegeben, und im Kreideland wurde Silvester kaum gefeiert. Frau Grad war gern bereit gewesen, ihr für das Lammungsfest freizugeben, das die Alten »Schafbauch« nannten. Damit begann das Jahr der Schafhirten. Die Hexe der Hügel durfte es nicht versäumen. Bei dieser Gelegenheit, in warmen Nestern aus Stroh, durch Hürden und Barrieren aus geschnittenem Stechginster geschützt, fand die Zukunft statt. Tiffany hatte daran mitgewirkt, indem sie den Hirten im Laternenschein bei schwierigen Geburten half. Sie hatte mit dem spitzen Hut auf dem Kopf gearbeitet und die Blicke der Schafhirten gespürt, als sie mit Messer, Nadel, Faden, Händen und beruhigenden Worten Mutterschafe von der schwarzen Tür zurückholte und Lämmern ins Licht half. Man musste ihnen eine Schau geben. Man musste ihnen eine Geschichte geben. Und am Morgen war sie stolz und mit Blut bis zu den Ellenbogen heimgekehrt, aber es war das Blut des Lebens gewesen.
    Später war sie zum Erdhügel der Größten gegangen und ins Loch gekrochen. Sie hatte eine Weile darüber nachgedacht und sich gut vorbereitet auf den Weg gemacht, mit sauberen, zerrissenen Taschentüchern und Seifenkraut-Shampoo nach einem Rezept von Frau Grad. Sie hatte so eine Ahnung gehabt, dass Jeannie etwas damit anzufangen wusste. Frau Grad besuchte immer neue Mütter. Das gehörte einfach dazu.
    Jeannie war sehr erfreut gewesen, sie zu sehen. Tiffany hatte sich auf den Bauch gelegt, um teilweise in die Kammer der Kelda zu kriechen, und sie hatte die Erlaubnis bekommen, alle acht »Robchen« zu halten, so nannte sie sie, die zur gleichen Zeit geboren worden waren wie die Lämmer. Sieben von ihnen schrien und balgten miteinander. Nummer acht, ein weibliches Robchen, lag still und wartete auf ihre Zeit. Die Zukunft war geschehen.
    Nicht nur Jeannie dachte jetzt anders von Tiffany. Gewisse Dinge hatten sich herumgesprochen. Die Bewohner des Kreidelands hatten keine Hexen gemocht, denn sie waren immer von außerhalb gekommen, als Fremde. Aber jetzt gibt es hier unsere Tiffany, die bei der Geburt von Lämmern hilft, wie ihre Oma, und es heißt, dass sie in den Bergen die Hexerei gelernt hat! Aber es ist immer noch unsere Tiffany. Zugegeben, sie trägt einen Hut mit großen Sternen, aber sie macht guten Käse, und sie kennt sich mit Lammungen aus, und sie ist Oma Wehs Enkelin, klar? Und dann klopften sich die Leute bedeutungsvoll an die Nase. Oma Wehs Enkelin. Wisst ihr noch, was die Alte alles konnte? Wenn sie also eine Hexe ist, dann ist sie unsere Hexe. Sie weiß über Schafe Bescheid, kein Zweifel. Ha, und ich habe gehört, dass es da in den Bergen einen großen Hexenwettbewerb gab, und unsere Tiffany hat gezeigt, wozu ein Mädchen aus dem Kreideland fähig ist. Es sind eben moderne Zeiten. Wir haben jetzt eine Hexe, und sie ist besser als alle anderen! Niemand wirft Oma Wehs Enkelin in einen Teich!
    Morgen wollte sie sich erneut auf den Weg in die Berge machen. Drei ereignisreiche Wochen lagen hinter ihr, von den Lammungen einmal abgesehen. Roland hatte sie zum Tee im Schloss eingeladen. Es war ein wenig peinlich gewesen, wie solche Dinge eben sind, aber Tiffany fand es erstaunlich, dass sich Roland in nur zwei Jahren von einem schwerfälligen Dummkopf in einen nervösen jungen Mann verwandelt hatte, der vergaß, wovon er gerade sprach, wenn sie ihn anlächelte. Und es gab Bücher im Schloss!
    Er hatte ihr schüchtern ein »Lexikon erstaunlich außergewöhnlicher
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