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Ein Hut voller Sterne

Ein Hut voller Sterne

Titel: Ein Hut voller Sterne
Autoren: Terry Pratchett
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schniefte.
    Tiffany überhörte das, weil sie noch immer verdutzt war. Sie griff noch einmal nach dem Sack und reichte Oma ein kleines, weiches Paket, das sich in ihren Händen bewegte und die Form veränderte.
    »Die meisten Dinge habe ich zu Herrn Starkimarm zurückgebracht«, sagte Tiffany. »Aber ich dachte mir, du könntest dies vielleicht. gebrauchen.«
    Die alte Hexe entfaltete langsam das weiße Papier. Der Zephirwogen entrollte sich unter ihren Fingern und füllte die Luft wie Rauch.
    »Der Umhang ist wunderschön, aber ich könnte ihn nicht tragen«, sagte Tiffany, als er über den sanften Luftströmen der Lichtung Form gewann. »Man braucht Gravität, um einen solchen Umhang zu tragen.«
    »Gravi-was?«, fragte Oma Wetterwachs scharf.
    »Oh. Würde und Weisheit, solche Dinge«, sagte Tiffany.
    »Ah«, erwiderte Oma und entspannte sich ein wenig. Sie beobachtete das langsame Wogen des Umhangs und schniefte.
    Es war wirklich eine wundervolle Kreation. Damit hatten die Zauberer wenigstens einmal etwas richtig hingekriegt. Es war eins jener Objekte, die im Leben des Betrachters ein Loch füllten, von dessen Existenz er bis dahin gar nichts gewusst hatte.
    »Ich denke, es gibt Leute, die so etwas tragen können, und andere, die besser darauf verzichten sollten«, räumte Oma Wetterwachs ein. Sie ließ den Umhang um ihren Hals wallen und hielt ihn dort mit einer halbmondförmigen Brosche fest. »Für jemanden wie mich ist er ein wenig zu prächtig«, sagte sie. »Ein bisschen zu fein. Mit so etwas sähe ich vielleicht wie eine verrückte Nudel aus.« Sie sprach es aus wie eine Feststellung, trotzdem deutete sich am Ende des Satzes ein Fragezeichen an.
    »Nein, er steht dir, wirklich«, sagte Tiffany fröhlich. »Wenn du nicht weißt, wann du ein Mensch sein sollst, weißt du auch nicht, wann es darauf ankommt, eine Hexe zu sein.«
    Vögel hörten auf zu zwitschern. Oben in den Bäumen liefen Eichhörnchen davon und versteckten sich. Selbst der Himmel schien sich kurz zu verdunkeln.
    »Äh. das habe ich gehört«, fügte Tiffany an. »Von jemandem, der sich mit solchen Dingen auskennt.«
    Die blauen Augen blickten in ihre. Es gab keine Geheimnisse vor Oma Wetterwachs. Was auch immer man sagte: Sie beobachtete, was man meinte.
    »Vielleicht besuchst du mich gelegentlich wieder«, sagte Oma, drehte sich langsam und sah, wie sich der Umhang hinter ihr ausbreitete. »Es ist immer sehr still hier.«
    »Gern«, erwiderte Tiffany. »Soll ich den Bienen vorher Bescheid geben, damit du Tee kochen kannst?«
    Für einen Moment erstarrte Oma Wetterwachs, dann verzogen sich ihre Lippen zu einem Lächeln.
    »Clever«, sagte sie.
    Was ist in dir?, dachte Tiffany. Wer bist du wirklich in deinem Innern? Wolltest du, dass ich deinen Hut nehme? Du präsentierst dich als große, schlaue böse Hexe, aber das bist du nicht. Du stellst die Leute dauernd auf die Probe, aber in Wirklichkeit möchtest du, dass sie clever genug sind, dich zu schlagen. Denn bestimmt ist es eine große Belastung für dich, die Beste zu sein. Du kannst nicht aufhören. Du kannst nur geschlagen werden, und du bist zu stolz dafür, dich besiegen zu lassen. Stolz! Du hast ihn in eine schreckliche Kraft verwandelt, aber er nagt an dir. Hast du Angst zu lachen, weil du fürchtest, ein erstes Gackern zu hören?
    Wir sehen uns wieder, eines Tages. Das wissen wir beide. Wir sehen uns wieder, beim Hexenwettbewerb.
    »Ich bin clever genug zu wissen, wie du es schaffst, nicht an ein rosarotes Nashorn zu denken, wenn jemand >rosarotes Nashorn< sagt«, brachte Tiffany schließlich laut hervor.
    »Ah, das ist große Magie«, erwiderte Oma Wetterwachs.
    »Nein. Das ist es nicht. Du weißt gar nicht, wie ein Nashorn aussieht.«
    Sonnenschein fiel auf die Lichtung herab, als die alte Hexe lachte, klar wie ein Tieflandbach.
    »Stimmt!«, bestätigte sie.

15
    Ein Hut voller Sterne
     
    Es war einer jener sonderbaren Tage im späten Februar, an denen es wärmer ist, als es eigentlich sein sollte, und der Wind nur am Horizont weht, nicht dort, wo man steht.
    Tiffany wanderte nach oben ins Hügelland, in die geschützten Täler, wo bereits erste Lämmer geboren waren und mit den für sie typischen ruckartigen Bewegungen umherliefen, die sie wie Schaukelpferde aus Wolle aussehen ließen.
    Vielleicht war es wirklich ein besonderer Tag, denn die alten Mutterschafe gesellten sich den Lämmern hinzu und sprangen mit ihnen umher. Sie hopsten und liefen, fröhlich und auch ein wenig
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