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Ein Hund namens Gracie

Ein Hund namens Gracie

Titel: Ein Hund namens Gracie
Autoren: Dan Dye , Mark Beckloff
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fahren, dort neun Stunden gegen einen Abgabetermin anzukämpfen, der sich leider nicht aufgelöst hatte, nur weil Gracie aufgetaucht war. Ich hatte Arbeit zu erledigen, eine Hypothek abzuzahlen, ein Leben zu leben. Und ich war nicht dankbar dafür.
    »Ich kann den Tag nicht mit Spielen verbringen«, sagte ich laut. »Du verstehst das doch, oder nicht?« Ich neigte meinen Kopf zu ihr, um das zu betonen. Sie leckte mir die Nase.
    Ich ließ sie auf den Boden runter (auf den sie sofort eine Pfütze machte), wusch mich, zog mir schnell was über und führte sie zur Treppe. Sie rannte bis zum Treppenabsatz vor mir her, tauchte zweimal mit der Pfote ab, als prüfe sie Wasser, drehte sich um und sah mich erwartungsvoll an: Das kann ich doch, oder etwa nicht? Sie zeigte nicht die leiseste Spur von Angst - sie lief hin, prüfte die Sache, drehte sich um und wartete auf weitere Anweisungen. Ich vermutete, dass sie gerade groß genug war, um die Stufen einzeln zu schaffen, aber nicht jetzt. Dieses eine Mal wollte ich sie runtertragen. Wir hatten unseren ersten gemeinsamen Spaziergang vor uns. Oder jedenfalls hatte ich mir das so gedacht.
    Trotz meiner jahrelangen Erfahrung mit Hunden, habe ich nie einen Hund auf seinem ersten Spaziergang ausgeführt. Es stellte sich als eine größere Herausforderung dar, als ich erwartet hatte. Hunde sind zwar instinktgesteuerte Wesen, aber es gibt bestimmte Dinge, ohne deren Wissen alle gleichermaßen zur Welt kommen. So stellte sich zum Beispiel heraus, dass Hunde ohne wirkliches Verständnis der Konzepte von »Halsband«, »Leine«, geschweige denn von »Ausgehen« geboren werden. Das bewies Gracie mir schnell.
    Anstatt ihr in der Küche das Halsband anzulegen, wo es begrenzte Fluchtmöglichkeiten gibt, ließ ich sie in den verschneiten Garten und folgte ihr mit dem kleinen Halsband und der kurzen Leine, aus denen Sarah und Dottie längst herausgewachsen waren. Als sie begann, im Garten herumzutollen, statt sich instinktiv dem Halsband zu unterwerfen (und dem Mann, der es hielt), machte ich den nächsten brillanten Zug: Ich begann zu rufen: »Gracie! Komm schon, Mädchen! Komm, na komm! Gracie! Ko...«
    Ich brach mitten im Wort ab und drehte mich um, um nachzusehen, ob es irgendwelche Zeugen gab, die mich triefäugige Dumpfbacke dabei beobachtet hatten, wie ich einen tauben Welpen rief. Zum Glück gab es keine. Also krönte ich das Ganze mit einem Schritt, der von vornherein zum Scheitern verurteilt war: Ich wollte sie fangen.
    Nicht, dass Doggenwelpen besonders schnell sind, oder dass Gracie ein besonders schnelles Hundejunges gewesen wäre. Es ist nur so, wenn ein Welpe das erste Mal die Chance bekommt, sich in einem großen Garten auszutoben, dann ist das Letzte, wozu er sich bringen lässt, ruhig anzukommen und sich anleinen zu lassen. Wenn man’s recht bedenkt, gibt es wahrscheinlich auf der ganzen Erde kein Wesen, das sich zum Halsband hingezogen fühlt. Von Gracie kann man jedenfalls sagen, dass sie noch weniger Drang danach verspürte als die meisten ihrer Artgenossen.
    In einem Film würde man für die Jagdszene weniger als eine Minute einplanen. Das reichte, um eine Vorstellung davon zu vermitteln, was der blöde Typ da trieb. Da dies aber das echte Leben war und Gracie keine Neigung verspürte, sich filmischen oder sonstigen Konventionen zu beugen, dauerte es fast eine halbe Stunde, in deren Verlauf Gracie sich immer wieder mit Vergnügen in die Ecke treiben ließ, um im letzten Moment aus meinen Händen zu entwischen, sodass ich wieder schwerfällig keuchend hinter ihr herlief, bis ich es schließlich aufgab und mich auf die Veranda fallen ließ, erschöpft und besiegt. Da entschied Gracie sich dafür, zu mir zu trotten, sich an mein Bein anzuschmiegen und fragend ihren Kopf aufzurichten: Willst du denn nicht mehr spielen?
    Was für ein Dummkopf war ich doch. Sie rannte nicht vor mir weg - sie spielte! Ich brauchte nur das Spielfeld zu verlassen, schon war das klar. Ich streichelte ihren kleinen runden Kopf und lachte über mich selbst. Dann streckte ich die Hand aus und legte ihr das Halsband um, ohne dass sie einen Mucks von sich gab. Sie war neugierig, sie kratzte und zog vielleicht zehn Sekunden daran herum, dann verlor sie völlig das Interesse. Bis ich die Leine anlegte.
    Mit dem Klicken des Karabinerhakens explodierte Gracie. Oder sie hätte es getan, wenn die Leine nicht gewesen wäre. Diesmal hatte ich nicht vor, sie loszulassen, auch wenn sie alles tat, was ihr kleiner
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