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Ein Hund namens Gracie

Ein Hund namens Gracie

Titel: Ein Hund namens Gracie
Autoren: Dan Dye , Mark Beckloff
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ihres Wesens schlurrte sie ganz allerliebst. Wie viel Gnade ihr in ihrem kurzen Leben schon widerfahren war, das sollte ich bald herausfinden.
     

     

Das kleine Wunder
     
    A m nächsten Morgen ging ich mit Gracie zu Dr. Benjamin, einem Tierarzt, von dem mir Anne erzählt hatte, dass er in unserer Gegend der maßgebliche Experte für Deutsche Doggen war. Ich fragte mich, ob es Dutzende von ihnen gab.
    Sollte Hollywood jemals James Herriots Hundegeschichten von Yorkshire nach Amerika umsiedeln, würden die Jungs von der Rollenbesetzung ihre Großmütter verkaufen, um Dr. Benjamin für die Stelle zu gewinnen. Sein grau meliertes Haar, sein gerunzelt-gerötetes Gesicht und seine müden, aber leuchtenden Augen waren für die Rolle des freundlichen alten Tierarztes wie geschaffen. Als er Gracie sah, strahlte er mit einer herzlichen Wiedersehensfreude übers ganze Gesicht.
    »Ah, das kleine Wunder! Wie geht es dir, mein Liebling? Es ist schön, dich wieder zu sehen!« Er beugte sich runter, damit sie ihn küssen konnte, und führte uns ins Untersuchungszimmer.
    Gracies Schwanz schlug wie ein turbogetriebenes Metronom. Ganz offensichtlich freute sie sich auch, ihn zu sehen, aber ich war verdutzt. Wieso kannte er sie? Und warum nannte er sie »kleines Wunder«?
    Dr. Benjamin untersuchte Gracie und erzählte dabei, und sie ließ es sich gefallen, als sei es ein Spiel. »Als diese junge Dame erst wenige Wochen alt war«, begann der alte Doc, meiner Frage zuvorkommend, »wollte sich eine Familie einen Welpen aus dem Wurf aussuchen.« Er leuchtete ihr ins Ohr. »Also, so wie ich es vom Züchter gehört habe, ist die kleine Tochter auf Gracie zugerannt, hat sie hochgenommen, ist gestolpert und mitten auf sie drauf gefallen!« Gracie gab ein zustimmendes »Wuff!« von sich - ein tiefes, kehliges »Wuff!« irgendwo zwischen Greta Garbo und Marlene Dietrich angesiedelt. »Das kleine Mädchen hat so laut geschrien, dass niemand nachsehen kam, ob du verletzt warst, stimmt’s?« Da er Gracies Maul offen hielt, um ihre Kehle anzusehen, erwartete ich keine ausführliche Antwort. »Erst spät am folgenden Tag entdeckte der Züchter, dass ihr Bauch geschwollen und ihr Atem flach war. Als er sie hierher brachte, bemerkte ich zwei gebrochene Rippen.« Er starrte in ihre Augen. »Du bist vielleicht ein tapferes kleines Mädchen!«
    »Ist sie so zu ihrem Namen gekommen?« fragte ich ihn.
    Dr. Benjamin lachte. »Nein, das arme Ding.« Er kraulte sie unter dem Kinn. »Das war erst der Anfang.«
    Dr. Benjamin erklärte, wie er Gracies Rippen verbunden habe. Sie wuchs so schnell, dass sie in einer Woche schon wieder gesund war. Ein paar Tage später brachte der Züchter sie wieder vorbei, um ihr die Ohren kupieren zu lassen, sie sollten in zwei rasiermesserscharfe Spitzen zulaufen. Bei Deutschen Doggen ist das Kupieren üblich, aber es wird allein aus ästhetischen Gründen getan - es gibt keine medizinische Notwendigkeit dafür. Manche Leute behaupten, ein Hund mit Hängeohren könne leichter Ohrenentzündungen oder Beschwerden mit den Blutgefäßen am Ende der Ohren bekommen, aber das kaufe ich ihnen nicht ab. Würden Sie sich die Zehen abhacken, nur um sicherzugehen, dass Sie sie nie anstoßen? Ich persönlich finde das Kupieren so erstrebenswert wie das Abbinden von Füßen, aber ich hatte mich natürlich schon gefragt, warum Gracie nicht zusammen mit Merlin kupiert worden war.
    »Ich hatte den Verdacht, sie sei taub, aber Züchter können ein wenig... berechnend sein, wenn man auf taube Welpen zu sprechen kommt. Da sie nur zum Kupieren hier war, entschloss ich mich dazu, sie nicht daraufhin zu überprüfen, außer wenn der Züchter mich darum bat.« Er hob ihren Schwanz und kontrollierte den Rumpf. »Ich gab Gracie ihre Betäubung und plötzlich fiel sie tot um. Bevor die Operation überhaupt begonnen hatte.«
    »Sie war tot?«
    Er nickte. »Sie war ein paar Minuten lang tot. Wahrscheinlich eine Reaktion auf das Betäubungsmittel, man kann da nie sicher sein.«
    »Wie...?«
    »Oh, ich habe sie einfach nicht aufgegeben«, sagte er grinsend. »Ich versuchte alles, um sie zurückzuholen, jede Wiederbelebungstechnik, die ich kannte, außer sie aufzuschneiden und ihr Herz zu massieren. Nach einer Minute ohne Reaktion hielt mich meine Assistentin für verrückt. Nach zwei Minuten fragte ich mich selbst, was ich da täte, aber aus irgendeinem Grund konnte ich einfach nicht aufhören: Ich drückte ihr Herz, blies ihr Luft in ihr kleines Maul und
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