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Ein Hund mit Charakter

Ein Hund mit Charakter

Titel: Ein Hund mit Charakter
Autoren: Sándor Márai
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Meinung, daß ein Hund einerseits ein praktisches, andererseits ein überflüssiges Geschenk darstellt, etwas, das zugleich Luxus, aber auch strapazierfähig und zudem für Frauen bestens geeignet ist, also in Leder und mit weichem Fell, das wärmt und vor allem als etwas Originelles gilt, jedenfalls Eindruck auf die Beschenkte macht und doch preislich nicht aus dem Rahmen fällt … Innerhalb von Sekunden hat er dies konstatiert, und zwar mit derselben Gnadenlosigkeit, die ihn darauf bedacht sein läßt, sich alle seine Angelegenheiten und Aktionen bewußt zu machen.
    »Haben also auch andere diese Idee gehabt am Weihnachtsabend?« fragt er den Wärter.
    »Sicher, natürlich«, gibt der sogleich zurück, »vor Weihnachten haben wir hier immer großen Hundemarkt, in dieser Woche sind schon vier aus dem neuen Wurf weggegangen, Welpen sind überhaupt keine mehr da. Einen Pumi hätten wir noch, knapp ein Jahr alt, ein Weibchen, wäre eine gute Zuchthündin. Jeder Hund, den wir weggeben, bekommt bei uns ein Dokument von der Direktion, einen Adelsbrief mit Stammbaum.«
    »Vier Welpen haben Sie also in den letzten Tagen abgegeben?« fragt der Herr beharrlich.
    »Ja, junge Pulis, die sind jetzt in Mode. Den einen hat sich eine Schauspielerin geholt, den anderen einer von der Polizei, auch ein Herr, der für Zeitungen schreibt, nahm sich einen, und einer ist …«
    »Der für Zeitungen schreibt …?« fragt der Herr immer mißlauniger. »Und alle wollten einen Puli? Pulis sind jetzt Mode? Also auch noch ein Modeartikel?« will er mit wachsender Resignation wissen. Sein anfänglicher Enthusiasmus hat sich längst gelegt. Zum einen vergeht ihm immer die Lust, wenn er feststellen muß, daß auch andere den gleichen Einfall hatten wie er, und das kommt in letzter Zeit bedenklich oft vor; zum anderen wird ihm angst und bange, wenn er daran denkt, er könnte sich in der Theaterzeitung wiederfinden, als ungarischer Autor im trauten Heim, seinen Lieblingspuli auf dem Schoß, im Hausmantel, inmitten seiner Lieblingsbücher und der Familie … Nein, ganz so hat er sich seinen Werdegang nicht gedacht und auch nicht den des Hundes. Aber wenn heutzutage schon Schauspielerinnen und Herren aus dem Ministerium sich Hunde als Weihnachtspräsent holen, zudem noch Pulis, so ist wohl auch er Opfer eines Modegags geworden. Wahrscheinlich ist der Puli so etwas wie Bridgespielen oder die Gewohnheit in bürgerlichen Salons, abends um Viertel nach zehn Radio Moskau zu hören … Und er verstummt. Schade, denkt er.
    »Kleine Bären haben Sie nicht im Angebot?« erkundigt er sich noch. »Und was wäre an Bartgeiern vorrätig?« fährt er mit erhobener Stimme fort. »Nein, wenn alle Pulis kaufen«, konstatiert er hochnäsig, »so nehme ich wohl besser … Wäre nicht eine junge Giraffe zu haben?« stößt er hastig hervor. Der Wärter sieht ihn ratlos an.
    Doch, wie das Leben so spielt, justament jetzt, in diesem Augenblick, in dem Moment der Krise und des Zweifels, rührt sich etwas unter dem Diwan, krabbelt hervor und hält genau in dem hellen Fleck inne, den der Lichtschein der Lampe auf den Lehmboden fallen läßt. Dies ist der Augenblick, da der Held seinen Auftritt hat. Die literarische Terminologie fordert hier die gehobene Wortwahl: Könnte man sonst das Hervorkriechen und Winseln einer Handvoll Fell als »Auftritt« bezeichnen? Wie ein krauser Fellhandschuh, den irgendwer verloren hat, ein Fäustling, wie ihn die Männer vom Schneeräumkommando bei großer Kälte tragen, genauso kullert die Kreatur auf dem Boden herum und wimmert.
    »Ist das ein Hund?« erkundigt sich der Herr.
    Statt einer Antwort bückt sich der Wärter, packt das Wollknäuel mit zwei Fingern und hebt es hoch. Tatsächlich, da sind vier Beine und viel zuviel Fell. Auch ein Schwänzchen ist auszumachen, und dann strahlt aus dem Haarwuschel ein dunkelblaues Augenpaar hervor, glänzt in merkwürdig leuchtendem Strahlen, als der Lichtschein der Lampe darauf fällt. Der Wärter packt die Kreatur aus Dreck, Stroh und faltigem Fell mit zwei Fingern am Genick und schwenkt sie wie eine tote Ratte.
    »Ein wirklicher Hund?« fragt der Herr mit ungläubigem Staunen.
    »Ein echter Puli, vier Wochen alt. Und er verspricht ein Prachtkerl zu werden«, gibt der Wärter mit einer gewissen fachmännischen Zärtlichkeit Auskunft.
    Eigentlich könnte man über diese Prognose nur lachen, denn keine Phantasie der Welt würde ausreichen, um in diesem Knäuel aus Fell, Schmutz und Stroh etwas
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