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Ein Hund mit Charakter

Ein Hund mit Charakter

Titel: Ein Hund mit Charakter
Autoren: Sándor Márai
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Prächtiges zu entdecken – als wäre er zwischen den Ställen und Zwingern zusammengekehrt worden …
    »Fehlt nur noch ein kurzer Stiel, und er würde als Klobürste durchgehen«, stellt der Herr fest. Dann zieht er die Handschuhe aus und greift nach dem struppigen Häufchen Fell.
    Das Fellknäuel ist warm, und mittendrin schlägt ein Herz. Es klopft so fieberhaft, als wäre unter dem Haarklumpen nichts weiter als ein geheimnisvoller Zweitaktmotor, der in jede Materie Leben hineinzupusten vermag, sogar in dieses winselnde Wuscheltier. Das Pulsieren der großen Aorta ist durchs Fell spürbar, und unter dem Fell tastet man allerlei verdächtige, halbfertige Organe, ein zerbrechliches Rückgrat, das eigroße Köpfchen, ungewöhnlich zarte, knorpelige Gelenke.
    Inmitten von Strohhalmen und schwarzen Haarbüscheln, dort, wo man die Brust vermuten kann, zeigt sich ein muttermalartiges weißes Schüppelchen Haar, ein Kennzeichen, an dem das kleine Geschöpf zu identifizieren sein wird, falls es irgendwann einmal in die Welt hinauskommt. Vorläufig dient der helle Fleck noch zur Unterscheidung von anderen Bürsten und allen haarigen Gebilden auf Erden: Er macht seine Individualität aus, ist seine Visitenkarte, der Grund, warum er eine gewisse Aufmerksamkeit für sich beanspruchen kann. Die Handvoll Lebewesen zittert und zuckt. Der Herr hebt es hoch, hält es dem Lampenschein entgegen und stellt mit Erleichterung fest, daß das Bündelchen männlichen Geschlechts ist, was ihn irgendwie beruhigt. Wie einer, der mit der Weiblichkeit im weitesten Sinn meist genierliche Erfahrungen gesammelt hat, nutzt der Herr, da er nun schon einmal nach Belieben seine Wahl unter den Kreaturen treffen kann, flugs die Gelegenheit, sein häusliches Umfeld durch ein maskulines Wesen zu erweitern. Maskulin – sicher auch nur so ein Wort, das nichts zu bedeuten hat! Die Natur liefert damit allenfalls irgendeinen vagen Hinweis. Das Hundewesen ist jedenfalls – so stellt der Wärter aufmunternd fest, als sei dies ein überzeugendes Argument für den Kauf – derzeit erst ganze vier Wochen alt.
    Solange es klein ist, denkt der Herr bei sich, ist alles artig und liebreizend, und er setzt das Fellbündel vorsichtig auf den Lehmboden zurück. Klein ist sogar der Teufel süß. Was aber, wenn das Bürschchen heranwächst? Der Wärter spürt, jetzt ist der psychologisch richtige Augenblick gekommen, da er sich einschalten muß: Mit unvermuteter Beredsamkeit und kaufmännischem Geschick beginnt er, dem Herrn zuzureden, bückt sich zwischendurch mehrmals nach der Ware und preist die Anmut des Fellknäuels, sperrt mit dem Finger das Schnäuzchen auf und drängt den Herrn, dem Tier ins rosa Mäulchen zu schauen, um sich durch Augenschein davon zu überzeugen, daß Rachen und Nase des Kaufobjekts schwarz sind. Er trägt das nun schon kläglich jaulende Objekt unter die Lampe, und der Herr kann sich davon überzeugen, daß Rachen und Nase des Tierchens doch rosa sind. Der Wärter lenkt seine Aufmerksamkeit auf die noble und stramme Form der Beinchen: Es sei nur schwer vorstellbar, erwidert der Herr unschlüssig, was an den vier ausgewrungenen Pinseln stramm und nobel sein solle. Und erst der Körperbau! bringt der Wärter sein letztes Verkaufsargument ins Spiel. Der zierliche und doch so vorteilhaft proportionierte Brustkasten, das kernige Hinterteil, dieser Schwanz, der schon jetzt das Schönste verheißt, und der gesamte rassetypische, kräftige und gedrungene Rumpf, der einen Puli so augenfällig von allen anderen Hunderassen unterscheidet, die gescheiten Augen, die schön zur Seite fallenden Ohren und zu all dem der gesunde Appetit dieses außergewöhnlich wohlgestalteten Prachtstücks: Lobend preist er jedes Detail, vergißt auch nicht zu erwähnen, daß er selten ein so prächtiges Puli-Baby aus der Hand gegeben hat. Und das Ganze zum Preis von sechzig Pengö.
    Der Käufer runzelt die Stirn. Sonderbar, daß so etwas einen Preis haben kann. Sechzig Pengö, nicht mehr und nicht weniger, dies ist der offizielle Preis … Das Handelsobjekt wendet sich zielstrebig der Tür zu, behend und locker rollt es auf die Schwelle, nimmt die Schnauze und das kräftige und gedrungene Hinterteil zu Hilfe, die der Wärter so trefflich beschrieben hat, stößt geschickt die nur angelehnte Tür auf, legt dabei eine Entschlußkraft und Zielsicherheit an den Tag, die beide Männer staunen lassen.
    Schon seit Minuten kämpft der Herr mit sich, spürt, wie ihn der kleine Hund
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