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Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Hummer macht noch keinen Sommer
Autoren: Tanja Wekwerth
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Rudolf.
    »Hören Sie …« Natalie beugte sich vor und berührte Rudolf sanft am Arm. »Mein Lieblingsautor war auch Apotheker, aber dann hatte er keine Lust mehr auf das Salbengerühre und hat sich ganz der Schreiberei hingegeben, obwohl sein Vater das bestimmt gar nicht lustig fand.«
    »So?« Rudolf zuckte mit den Schultern. »Wer soll denn das sein?«
    Natalies Augen leuchteten. »Theodor Fontane.«
    »Ist nicht wahr!«, rief David begeistert.
    »In Neuruppin«, fuhr Natalie fort, »steht noch die LöwenApotheke, und …«
    »In Neuruppin? Da waren wir doch neulich, Rudolf, um die Hummer abzuholen. Also, nee, das gibt’s ja nicht! Thedodo, hör mal!« David sprang auf und rannte in die Küche. »Ist das nicht Synchronizität, wenn …«
    »Es ist auf jeden Fall ein Zeichen«, murmelte Rudolf. »Glauben Sie an Zeichen, Frau Schilling?«
    »Unbedingt.«
    Wenig später saßen alle an Theodors großem Esstisch und ließen sich ihre Achtzigerjahre-Vorspeise schmecken. Es folgten frittierte Sardinen mit Salat, Lammkoteletts an Kartoffel-Rauken-Walnuss-Püree, eine Käseplatte mit Trauben und als Dessert Himbeer-Trifle.
    Alle aßen, tranken, lachten und redeten mit vollem Mund durcheinander.
    Es war ein wundervoller Abend. Die Fenster standen offen, ließen den milden Sommerabend ein, und als es dunkel geworden war, entzündete Theodor Kerzen.
    Für einen Moment schwiegen alle andächtig, dann erzählte David von seinen Fast-Food-Flowers. Theodor hörte lächelnd zu, Hertha fütterte Feivel mit den übrig gebliebenen Lammkoteletts, und Rosie stand am Grammophon und betrachtete ihr verzerrtes Gesicht im Messingtrichter.
    »Ach, Kinder, wie isses schön heute Abend«, rief Hertha und sah sich mit feuchten Augen um. »Schaut mal, da habe ich auf einmal eine richtig große Familie.«
    »Mit Mops«, sagte Rudolf lachend.
    Hertha nickte andächtig. »So ist es.«
    »Ich mach uns mal Kaffee.« Theodor stand auf.
    »Für mich den koffeinfreien!«, rief Hertha ihm hinterher. »Und bring mal dein Selbstauslöse-Dingsda mit und knips ein Foto von uns allen! Der Moment muss festgehalten werden! Ich spüre, dass das eine Sternstunde ist.«
    »Ja«, sagte David, »das spüre ich auch.«
    »Ich auch«, sagte Rosie, die auf seinem Schoß Platz genommen hatte und ihrer neuen Barbie das Haar bürstete.
    »So, alle mal Cheese sagen!« Theodor stellte seinen Fotoapparat auf dem Kaminsims ab und eilte an den Esstisch zurück.
    »Der Mops!«, rief Natalie. »Der muss auch aufs Bild.«
    Es blitzte.
    »Ach Natalie, jetzt hast du unter dem Tisch gehockt. Gleich noch mal.« Theodor ging zu seinem Fotoapparat zurück.
    »Ich glaube, Feivel hat sich erbrochen«, sagte Natalie, die wieder aufgetaucht war.
    »Och nee«, rief Theodor, »das ist ein antiker Isfahan-Teppich.«
    Es blitzte wieder, aber keiner achtete darauf.
    »Wer hat den Hund mit Lammknochen gefüttert?«, fragte David streng in die Runde.
    »Also wirklich!«, rief Hertha. »Wer war das?«
    Rosie deutete mit der Barbie auf sie. »Na, du.«
    »Ich hab es ja nur gut gemeint«, murmelte Hertha, »der Hund sah so hungrig aus.«
    »Der sieht immer so aus«, erwiderte Rudolf.
    »Meinst du, das zahlt die Versicherung?«, fragte Hertha zerknirscht.
    »Klar«, meckerte Theodor seine Mutter an, »die wartet schon die ganze Zeit darauf.«
    David stand auf. »Ist doch bloß ein bisschen Hundekotze. Ich bringe das schon in Ordnung. Hast du Gummihandschuhe, Thedodo?«
    »Nenn mich nicht Thedodo!«
    »Jetzt würgt er wieder!«, rief Natalie.
    Rudolf erhob sich eilig. »Ich gehe mal mit ihm einen kleinen Verdauungsspaziergang im Park machen.« Er sah Natalie an. »Kommen Sie mit?«
    »Ich? Oh. Äh. Ja.«
    »Ha!«, murmelte Hertha in ihre Serviette.
    Wenig später klappte die Wohnungstür zu, und Rudolf und Natalie fuhren mit dem Fahrstuhl nach unten. Beide blickten zu Boden und schwiegen. Ich wünsch mir … dachte Rudolf in alter Gewohnheit, dass … dass … Aber er bekam keinen klaren Gedanken zu fassen. Und dann hielt der Fahrstuhl mit einem gequälten Laut im Erdgeschoss. Oder war es Feivel, der stöhnte? Es blieb jedenfalls wenig Zeit für Wunschdenken, denn der leidende Hund musste im Eilschritt an den nächtlichen Lietzensee geführt werden, wo er mit viel Getöse den Inhalt seines sensiblen Hundemagens von sich gab.
    »Armer Kerl«, murmelte Natalie.
    »Jetzt geht es wieder.« Rudolf kratzte sich seinen roten Bart.
    Ich mag ja Männer mit Bärten eigentlich gar nicht, dachte Natalie, aber
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