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Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Hummer macht noch keinen Sommer
Autoren: Tanja Wekwerth
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nehmend. »Solche Dinge passieren nur mir. Ich bin unverbesserlich.«
    »Ihnen muss gar nichts peinlich sein. Wenn ich nur halb so viel Temperament und Entschlusskraft hätte wie Sie, wäre ich glücklich.«
    »Sie machen sich über mich lustig.«
    »Ganz im Gegenteil. Was Sie tun, tun Sie voller Leidenschaft. Sie machen keine halben Sachen. Auch David, also mein Lebensgefährte, war begeistert von Ihnen. Er will Sie unbedingt kennenlernen. Wir haben uns neulich Ihren Live-Auftritt im Fernsehen angeschaut.«
    »Oh.«
    »Das war sehr … beeindruckend.«
    »Danke.« Natalie lächelte geschmeichelt. Sie ließ ihren Blick über ein Rosenbeet schweifen. »Nachdem die Büchershow ins Studio zurückgeschaltet hatte, wurde es eigentlich erst so richtig spannend auf dem Nettelbeckplatz«, erzählte sie. »Zuerst wollte die Rüttgers mich erwürgen. Sie sprang mich an wie eine geistesgestörte Katze und ließ erst von mir ab, nachdem ich ihr Mit Freude durch die Menopause auf die Hochsteckfrisur geknallt hatte. Dann fiel die Autorin von Flammendes Schwert des Verlangens mit ihren Stricknadeln über mich her. Wenn der Kameramann sie nicht festgehalten hätte …« Natalie kicherte. »›Sie sind gefeuert!‹, hat die Rüttgers gebrüllt, und ich habe zurückgebrüllt: ›Hu, jetzt bin ich aber wirklich erstaunt!‹ Kindisch, ich weiß. Aber es war so außerordentlich befreiend, und ich konnte einfach nicht aufhören zu lachen. Wie damals im Keller, als ich den Zwerg ermordet habe.« Natalie sah fragend zu Theodor auf. »Sie müssen trotzdem zugeben, dass meine Handlungen ein klein wenig an Reife gewonnen haben, oder?«
    »Absolut.« Theodor tätschelte ihre Hand. »Und wie geht es Ihnen jetzt damit?«
    »Wunderbar, es geht mir wunderbar. Und das habe ich Ihnen zu verdanken.«
    »Inwiefern?«, fragte Theodor skeptisch.
    »Na ja, Ihr offenes Ohr, Ihre Geduld, Ihre Bereitschaft, sich immer wieder auf mich einzulassen. Außerdem gaben Sie mir zwei wirklich außerordentlich wichtige Ratschläge: Der eine lautete, dass man sich seinen Ängsten stellen muss.«
    Theodor unterdrückte ein gequältes Seufzen. »Und der andere?«
    »Am Notfalltelefon sagten Sie mal zu mir, dass ich einen eigenen Roman schreiben sollte, anstatt den Bockmist der anderen vorzustellen.«
    »Das habe ich niemals gesagt.«
    »So nicht, aber sinngemäß.«
    »Sie reißen das Ganze aus dem Kontext. Ich erwähnte vermutlich nur, dass Sie mal darüber nachdenken sollten, etwas Eigenes zu verfassen, eher therapeutisch, in Tagebuchmanier und …«
    »Herr Silberstadt, ich will Ihnen doch nur sagen, wie wichtig es für mich gewesen ist, mich Ihnen anzuvertrauen. Nehmen Sie meine Dankbarkeit einfach an. Unsere Gespräche haben mir so viel gegeben. Auch wenn Ihr ausdauerndes Wühlen …« Sie lachte kurz auf. »… manchmal sehr schwer auszuhalten war.« Natalie stellte sich vor Theodor hin. »Sie sind der beste Therapeut der Welt«, sagte sie feierlich. »Sie haben mein Leben gerettet.«
    Theodor räusperte sich. Er wusste nicht, was er erwidern sollte, und ihm war schwindelig geworden. Wortlos gingen sie weiter.
    »Und?«, rief Natalie nach einigen Schritten. »Wollen Sie mich denn gar nichts fragen?«
    »Möchten Sie lieber ins Botanische Museum oder in den Sumpfgarten?«
    »Sumpfgarten. Aber das meinte ich nicht.« Sie holte Luft, dann platzte sie heraus: »Ich habe bereits zweiundsechzig Seiten geschrieben, und einen Titel!«
    »Nämlich?«
    »Himbeermond über Berlin.«
    »Hm«, machte er.
    »Sie mögen es nicht?« Enttäuscht verzog sie den Mund.
    »Um was geht es denn in Ihrem Roman?«
    »Um Leute. In Berlin. Im Sommer.«
    »Vielleicht fällt Ihnen noch ein passenderer Titel ein.«
    »Ich werde darüber nachdenken.«
    Sie blieben auf einer kleinen Brücke stehen und sahen ins Wasser. Aus dem Röhricht quakten Frösche.
    »Wie finden Sie Déjà-vu in Berlin ?«, fragte Theodor nach einer Weile.
    »Wie kommen Sie denn darauf?«
    »Es klingt gut.«
    »Aber es gibt kein einziges Déjà-vu in meinem Roman.«
    »Dann schreiben Sie eben eins.«
    Natalie zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht.«
    »Oder wie wäre es mit Berliner Über-Ich ?«, rief Theodor. »Das ist gut.«
    »Neeee.« Natalie schüttelte den Kopf und beobachtete einen Frosch, der mit kräftigen Zügen durchs Wasser schwamm.
    Froschschenkel isst ja zum Glück kein Mensch mehr, dachte sie. Völlig aus der Mode. Genau wie Weinbergschnecken. Könnte ich mal eine Kolumne drüber schreiben.
    »Wie
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