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Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Ein Hummer macht noch keinen Sommer

Titel: Ein Hummer macht noch keinen Sommer
Autoren: Tanja Wekwerth
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wäre es mit Berliner Sommer ?«, fragte Theodor.
    Natalie horchte auf. »Gar nicht übel«, sagte sie. »Schlicht, aber schlüssig.«
    »Finde ich auch.« Zufrieden betrachtete Theodor seine Fingernägel.
    Sie schwiegen einen Moment. Dann fingen sie gleichzeitig an zu sprechen.
    »Herr Silberstadt …«
    »Frau Schilling …«
    »Ja, bitte?«
    »Sie zuerst.«
    »Nein, Sie, bitte …«
    »Wollen wir uns nicht duzen?«
    »Wissen Sie was?«
    »Was denn, Frau Schilling?«
    »Das wollte ich Sie auch gerade fragen.«
    »So ein Zufall! Also dann … Natalie.« Er lächelte und breitete die Arme aus.
    Sie fiel ihm um den Hals. »Theodor.«
    Im Leben geht es doch hauptsächlich um das richtige Timing, resümierte Natalie. Timing, Bauchgefühl und ein bisschen Glück.
    Meine Güte, dachte Theodor, ich hätte ihr viel früher sagen sollen, dass ich schwul bin, dann wäre sie niemals nackt durch mein Schlafzimmer gehopst. Aber wer weiß, wozu es gut war. Das Leben geht manchmal merkwürdige Wege. Das Wenigste hat man unter Kontrolle. Erschreckend, eigentlich.
    Arm in Arm gingen sie weiter. Sie ließen den Sumpfgarten hinter sich und näherten sich allmählich dem Ausgang.
    »Das war ein schöner Nachmittag«, sagte Theodor.
    »Finde ich auch.«
    »Ich gebe am Freitag ein großes Abendessen bei mir zu Hause«, sagte er, »und würde mich sehr freuen, wenn du auch kämst. Dann kannst du David kennenlernen und … meine Mutter.«
    »Sehr gern.«
    Bevor sie das Backsteintor passierten, blieb Natalie stehen. »Theodor?«
    »Was denn, meine Liebe?«
    »Wenn ich irgendwann damit fertig werden sollte, dann möchte ich dir gern den Berliner Sommer widmen.«
    »Oh«, machte Theodor ergriffen. »Wirklich? Das … mir fehlen die Worte.«
    »Nur so, in Freundschaft«, beeilte sie sich zu sagen. »Und um mich bei dir zu bedanken.« Sie sah ihn fragend an. »Meinst du, David hätte damit ein Problem?«
    »Der?« Theodor winkte ab. »Der wird sich höchstens vor Neid am Boden wälzen.«
    »Gut.«
    »Ich fühle mich sehr geehrt«, sagte Theodor. »Mir ist noch niemals ein Roman gewidmet worden.«
    »Dann wird es ja Zeit. Und jetzt komm. Ich habe Hunger. Lass uns was essen gehen.«
    »Ich lade dich ein.«
    »Nein, ich lade dich ein.«
    »So weit kommt es noch.«
    »Keine Diskussion!«
    »Genau, weil ich dich einlade.«
    »Aber es war meine Idee.«
    »Na und? Da drüben ist ein Italiener. Wir sollten auch noch mal über deinen Vater reden.«
    »Theodor!«
    »War ein Witz.«
    »Glaub ich dir nicht.«
    »Hahaha.«
    »Haha.«
    ▶◀
    »Und dann bezog ich Stellung hinter einem ganz gewissen Teeständer.« David schnaufte durch die Nase. »An der Wand hinter mir hingen zwölf winzig kleine Ölgemälde mit Toskana-Motiven. Die Farben, Herthalein, ich sag’s dir.« Er machte eine schlaffe, wegwerfende Handbewegung. »Und auf jedem Bild mindestens eine Scheißzypresse. Auf der Stelle bekam ich Bauchschmerzen.«
    Hertha guckte strafend. Sie mochte keine Kraftausdrücke.
    »Über den Bio-Fencheltee hinweg beobachtete ich, wie Rudolf ein Regal mit Tablettenschachteln befüllte. Ich schlich mich an ihn heran und rief ganz laut: Haben Sie etwas gegen das schmerzvolle Gefühl, einem Freund Unrecht getan zu haben?«
    »Schön gesagt«, lobte Hertha.
    »Nicht wahr? Das war mir ganz spontan eingefallen. Also: Rudolf wirbelt herum. ›Ich leide auch darunter‹, flüstert er und läuft dunkelrot an. Und dann sagt er noch: ›Bei mir ist es aber noch schlimmer, denn Schuldgefühle kneifen mich und lassen mich nachts nicht mehr schlafen.‹«
    »Och, der Ärmste, kommt er denn gleich? Hast du ihn eingeladen? Und Rosie?«
    »Warte«, rief David. »Ich bin noch nicht fertig. ›Aber eine schöne Teeauswahl habt ihr‹, habe ich noch gesagt. ›Und die Toskana-Motive sind auch klasse. So originell. Hehe, das musste ich einfach noch loswerden.‹ Na ja. Und dann hat er sich vielmals entschuldigt und erklärt, dass ihm Realität und Wunschdenken total durcheinandergekommen seien. Er hätte gerade einen amerikanischen Ratgeber gelesen, in dem behauptet wird, man müsse nur lange genug so tun, als wäre etwas schon eingetreten, dann würde es irgendwann auch wahr werden. Also hat er die ganze Zeit über so getan, als wäre er Galerist, und auf ein Wunder gewartet.«
    »Was ist denn das für ein Unsinn?«
    »Ich weiß ja auch nicht«, antwortete David und lächelte. »Rudolf ist eben ein Träumer.«
    Es klingelte an der Tür.
    »Ich geh schon!«, rief Theodor aus der
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