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Ein Herzschlag danach

Ein Herzschlag danach

Titel: Ein Herzschlag danach
Autoren: Sarah Alderson
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mir schon was eingefallen, hätte ich am liebsten geschrien. Ich kann mich ganz gut um mich selbst kümmern. Alles in allem kümmerte ich mich nämlich schon eine ganze Weile ziemlich gut um mich selbst. Ich starrte auf meinen Teller. Es fehlte nicht mehr viel und mir wären die Tränen in die Augen geschossen. Ich konnte kaum glauben, wie schnell wir von den harmlosen Frotzeleien zu einer Art elterlicher Strafpredigt übergegangen waren. Kaum mehr als zehn Sekunden hatte es gedauert und all das musste ich mir auch noch von meinem Bruder anhören.
    »Na, vielleicht hättest du überhaupt einmal nachdenken müssen.«
    Ich bedachte ihn mit einem wütenden Blick. Was sollte das denn nun wieder heißen? Dass ich gar nicht erst hätte kommen dürfen? Dass er mich nicht hierhaben wollte? Mein Besteck fiel klappernd auf den Teller und die Stuhlbeine kratzten über das Linoleum, als ich aufsprang. Keine Sekunde länger wollte ich am Tisch sitzen bleiben und mich verhören lassen! Ich brauchte Luft. Ich taumelte zur Hintertür, riss sie auf und lief auf die Veranda hinaus. Das Fliegenschutzgitter fiel krachend hinter mir zu. Ich hörte Alex leise etwas zu Jack sagen, dann wurde ein Stuhl zurückgeschoben.
    Mühsam beruhigte ich mich wieder. Ich lehnte mich gegen das hüfthohe Geländer der Veranda und betrachtete die Silhouetten der beiden Palmen, die vor dem violetten Abendhimmel in der Brise wogten. Hinter mir ging leise die Tür auf. Ich warf einen Blick über die Schulter. Alex.
    »Lila«, sagte er fast flüsternd. »Alles in Ordnung?«
    »Ja, klar, alles okay.«
    Er legte mir die Hand auf die Schulter. Ich schloss die Augen. Mein ganzer Körper entspannte sich auf einmal wie nach einem tiefen Seufzen.
    »Hey«, sagte er und drehte mich so, dass er mich anschauen konnte. Selbst hier im Dunkeln schienen seine Augen zu leuchten. Seine Hand löste sich von mir und fast gleichzeitig versteifte sich mein Körper wieder. »Jack macht sich doch nur Sorgen um dich«, sagte er.
    »Er will mich nicht hierhaben.« Dabei sah ich ihn forschend an, suchte nach einem Zeichen, dass ich mir das nur einbildete. Aber da war nichts.
    »Darum geht es nicht, Lila. Er macht sich wirklich Sorgen. Du tauchst hier wie aus dem Nichts auf und hast nur die Sache mit dem College als Ausrede anzubieten. Das ist zu schwach.«
    »Das war keine Ausrede …«, fing ich an, aber selbst in meinen Ohren klang das nicht überzeugend.
    Alex legte den Kopf schief und schenkte mir ein halbes Lächeln. »Lila, wie lange kenne ich dich schon? Meinst du nicht, dass ich dich innerhalb einer Sekunde durchschauen kann?«
    Ich hoffte nicht. Sonst würde ich noch echte Probleme bekommen.
    »Hör mal«, fuhr er fort, »du brauchst jetzt nicht darüber zu reden. Du bist hier und kannst bei uns bleiben, solange du es für nötig hältst. Ich kann dir Jack für eine Weile vom Leib halten, aber irgendwann wirst du ihm alles erzählen müssen. Er ist schließlich dein Bruder.«
    Solange ich es für nötig hielt? Ob er ahnte, dass das für immer sein konnte?
    Aber Alex hatte Recht, ich musste mit Jack reden. Musste ihm klarmachen, dass ich kein Kind mehr war. Dass ich hier in den Staaten studieren würde und er mich nicht davon abhalten konnte. Notfalls würde ich in den sauren Apfel beißen und noch ein Jahr in London in der Schule abhängen, aber am Tag nach dem Examen wäre ich wieder hier.
    Die Verandatür schwang auf und Jack trat zu uns. Er klopfte Alex leicht auf die Schulter, als wollte er sagen: Danke, Kumpel, jetzt übernehme ich. Alex begriff und ging in die Küche zurück. Ich wollte ihm folgen, aber Jack stellte sich dicht neben mich. Ich lehnte den Kopf an seine Schulter und seufzte.
    »Tut mir leid, Schwesterchen. Ich hab deine E-Mail bekommen und mir Sorgen gemacht. Das ist alles. Dachte natürlich, dass irgendetwas Schlimmes geschehen sein musste, wenn du so überstürzt abreist. Es ist überhaupt nicht dein Stil, so davonzulaufen.«
    »Ich bin nicht davongelaufen. Nur woandershin gelaufen. Das ist ein Unterschied.«
    »Aber gelaufen bist du, Lila.«
    »Es ist nichts passiert, Jack. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«
    »Natürlich mache ich mir Sorgen. Jeden Tag. Du bist schließlich meine kleine Schwester.«
    »Ich bin nicht mehr klein.«
    »Du wirst immer meine kleine Schwester bleiben.«
    Dem konnte ich nicht widersprechen.
    »Ich bin wirklich froh, dass du hier bist, Lila.« Er küsste mich auf das Haar. »Du hast mir gefehlt. Du kannst natürlich
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