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Ein Herzschlag danach

Ein Herzschlag danach

Titel: Ein Herzschlag danach
Autoren: Sarah Alderson
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anschaltete.
    »Schon okay«, murmelte ich und blinzelte geblendet in die Helligkeit. »Hab nur nicht mit dir gerechnet. Ich hab gedacht, du wärst längst nach Hause gegangen.«
    »Na ja, wir … hm …«, sagte er so zögernd, dass ich unwillkürlich aufblickte, »wir hatten ein kleines Problem im Camp. Jack musste sich darum kümmern, deshalb hat er mich angerufen. Ich habe hier auf dem Sofa geschlafen, für den Fall, dass du aufwachst. Weil du dann nicht gewusst hättest, wo er ist.«
    Ich grinste und schüttelte spöttisch den Kopf. »In solchen Fällen reicht ein kleiner Zettel völlig aus.«
    Er trug immer noch die Jeans, dazu nur ein weißes Shirt. Ich konnte den Blick kaum von seinen Schultern und Armen losreißen. Am Oberarm entdeckte ich dieselbe Tätowierung, die auch Jack hatte. Am liebsten hätte ich sie berührt.
    Als ich meine Gedanken endlich wieder in jugendfreie Zonen gezwungen hatte, bemerkte ich seinen fragenden Gesichtsausdruck. Plötzlich fiel mir ein, dass ich nur ein T-Shirt trug, das kaum meine Oberschenkel bedeckte. Wenigstens reichte es knapp über die blauen Flecken, die ich vom Zwischenfall in London davongetragen hatte. Aber sein Blick war weder auf meine nackten Beine noch auf die Ränder der Blutergüsse gerichtet.
    »Hey – das T-Shirt kenne ich doch!«
    Oh. Mein. Gott. Ich krümmte mich innerlich vor Verlegenheit zusammen. Heißes Blut schoss mir in die Wangen; trotzdem zog ich so lässig wie möglich das T-Shirt ein wenig vom Körper weg und betrachtete es, als wunderte ich mich, was um alles in der Welt ich auf dem Leib trug. Als würde ich mir nicht fast jeden Abend genau dieses T-Shirt über den Kopf streifen. Ich hatte ja nicht ahnen können, dass sein früherer Besitzer mich darin mitten in der Nacht überraschen würde.
    Ich versuchte es mit unschuldigen Rehaugen. »Was – meinst du etwa diesen alten Fetzen hier?«
    Er starrte auf das verblasste Logo der Washington State University, das auf der Vorderseite aufgedruckt war, und runzelte die Stirn. Ich wünschte, es wäre völlig ausgewaschen worden. »Ja, klar, das gehörte mal mir, da bin ich ganz sicher«, sagte er.
    »Echt?« Meine Stimme lag plötzlich eine Oktave höher. Ich senkte sie schnell wieder ab auf Normalhöhe. »Ich hab es für eine von Jacks alten Klamotten gehalten. Es lag irgendwo herum und ich hab es sozusagen … adoptiert.«
    Ich überprüfte die Wirkung dieser genialen Ausrede mit einem schnellen Seitenblick.
    Gut. Er sah definitiv verwirrt aus.
    »In dem T-Shirt lässt es sich prima schlafen«, erklärte ich munter weiter.
    »Ja, das sehe ich.« Endlich lächelte er wieder.
    Ich sprang auf. Ein Themenwechsel war überfällig, bevor ich vor Verlegenheit tot umfiel. »Wie wär’s mit einer Tasse Tee?«
    »Ja, gern, danke.«
    Während ich den Wasserkocher füllte, spürte ich seinen durchdringenden Blick im Rücken.
    »War es denn wirklich so schlimm?«, fragte er.
    Ich drehte mich um. »Schlimm? Was meinst du?«
    »London. Mit deinem Vater zusammenzuleben. Ich sehe doch, dass du nicht glücklich bist. Und aus deinen E-Mails kann man das ebenfalls herauslesen. Jetzt erzähl mir doch endlich, was wirklich los ist.«
    Mir fiel fast der Wasserkocher aus der Hand. »Was los ist? Nicht viel. Ich fühle mich dort eben einfach nicht zu Hause.«
    Alex gab keine Antwort.
    Wie sollte ich es ihm erklären? Sollte ich ihm etwa erzählen, dass ich nur deshalb so unglücklich war, weil ich nicht bei ihm sein konnte? Unmöglich. Würg . Das war alles total kompliziert! Vor allem, weil sein Blick so intensiv auf mich gerichtet war. Das machte es superschwierig, einem halbwegs vernünftigen Gedankengang zu folgen. Ich schaute zu Boden.
    »In Washington habe ich immer dazugehört. Ich hatte eine Familie. Ich hatte dich und Jack.« Ich wagte einen kurzen Seitenblick. Er lächelte, dann war das leichte Stirnrunzeln wieder da.
    »In London hatte ich erst mal niemanden, von Dad abgesehen, und der ist nicht oft zu Hause. Da war niemand, mit dem ich reden konnte, ich fühlte mich wie betäubt.« Meine Stimme klang brüchig. »Aber auch, als das vorbei war, fühlte ich mich einfach … anders, ganz anders als die anderen.« Ich brach ab. Es gab so viel, was ich ihm nicht erzählen konnte. Zum Beispiel, was ich wirklich meinte, wenn ich sagte, dass ich mich anders fühlte. Nicht meinen amerikanischen Akzent oder dass meine Mutter tot war, sondern dass ich plötzlich und wie aus heiterem Himmel Gegenstände bewegen konnte,
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