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Ein Herz bricht selten allein

Ein Herz bricht selten allein

Titel: Ein Herz bricht selten allein
Autoren: Gitta von Cetto
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Eine ganz blöde
Sauf tour war das gewesen. Und wer war schuld daran? Mama! Sie hatte sich am
Telefon unmöglich benommen. Sie hatte ganz einfach wieder mal versagt, total
versagt.
    Mütter versagten immer in
kritischen Momenten. Ihr hartes Schicksal und das harte, mit Schafwolle
prallgestopfte Kopfkissen lösten Tränen des Selbstmitleids aus. Mama muß doch
gespürt haben, wie mies es mir ist nach der Pleite mit dem Film! Und daß ich
kein Geld habe. Und daß ich nicht weiß, wie es jetzt eigentlich weitergehen
soll. Ich kann doch nicht einfach wieder heimfahren. Zu wem? Zu Bernhard, der
mich womöglich nicht einmal mehr in die Wohnung läßt? Oder zu meiner
Schwiegermutter?
    Die Tränen flössen. Warum hatte
Mama nicht gesagt: »Mach dir keine Sorgen, wenn es mit diesem Film nichts ist,
so wird es eben mit dem nächsten klappen, und Jean ist ein besonders reizender
Mann, du wirst sehr, sehr glücklich mit ihm werden. Und wegen Bernhardine laß
dir nur keine grauen Haare wachsen. Ich nehme Bibi selbstverständlich zu mir,
ich werde noch in dieser Woche hinfahren und ein ernstes Wort mit deiner
Schwiegermutter sprechen. Außerdem richte ich dir ein kleines Bankkonto in Rom
ein, mein Liebling.« So hätte eine ordentliche Mutter gesprochen.
    Zweifel, ob Jean Moulin
wirklich der Mann war, der Bettina mit sicherer Hand durch alle Klippen
hindurchsteuern würde, waren längst in ihr wach geworden. Wie es sich
herausstellte, war er in den letzten zehn Monaten immer nur an unsolide
Unternehmen geraten. Er saß auf dem trockenen und schimpfte über die Gauner in
der Filmbranche.
    Zwar hatte er gestern abend
vollstes Verständnis für Bettinas Kummer, ihren Appetit und ihren Durst
gezeigt, aber er hatte auch, ohne mit der Wimper zu zucken, die dreißigtausend
Lire, die sie beisteuerte, angenommen. Die Rechnung war etwas niedriger
gewesen, und er hatte den Rest in die Tasche seiner nachtblauen Jacke gleiten
lassen. Er war oft so verträumt. Und er küßte so zärtlich, so unbeholfen, so...
So... Von ihrer Verliebtheit in Jean schwenkten Bettinas Gedanken zu ihrer kleinen
Tochter. Ach, wie sehnte sie sich danach, daß Bibi ihre Ärmchen um ihren Hals
legen und sie küssen würde. Sie hatte Grübchen in den fetten Ellenbogen und zog
die Nase kraus vor Vergnügen, wenn sie Muttis Parfüm roch. Bettina wurde es
immer elender zumute: Mutterliebe verbunden mit Torheiten, vier verschiedenen
Getränken, Katzenjammer und einer totalen Pleite war eine schreckliche Sache.
    Sie wankte zum Waschbecken, um
sich den Kopf zu kühlen. Das Wasser tröpfelte in einem dünnen Rinnsal lau aus
der Leitung. Gottlob war das Spiegelglas über dem Waschbecken blind. Auf diese
Weise mußte Bettina sich nicht mit ihrem Gesicht auseinandersetzen, das ihr
heute sicher ziemlich unsympathisch war. Als sie sich umwandte, um wieder in
ihr Bett zu taumeln und erneut den Kampf mit ihrem Elend und der Matratze
aufzunehmen, stand ein Mann hinter ihr.
    Er war fast einen Kopf größer
als Bettina, und er sah sie so ungeniert an, als gehöre sie zum Inventar dieses
Zimmers. Er hatte die Rechte in der Hosentasche, und es war ganz klar, daß das
eckige Ding, das sich dort abzeichnete, ein Revolver war.
    Wenn der Mann erwartete, daß
Bettina um Hilfe schreien oder gar vor ihm niedersinken und um Gnade winseln
würde, hatte er sich getäuscht. Für alle diese Reaktionen fehlte ihr ganz einfach
die Kraft, und außerdem schwamm ihr Kopf immer noch im luftleeren Raum.
    »Gehen Sie weg hier«, sagte
Bettina nur, und als er einen Schritt zur Seite trat, lief sie an ihm vorbei
und kroch in ihr Bett. Sie zog die Decke bis unters Kinn und preßte die
feuchten Arme, die sie noch nicht abgetrocknet hatte, gegen den Körper.
    Der Mann stand immer noch am
selben Platz. Er war ihr nur mit den Blicken gefolgt.
    Sekunden vergingen. Dann zog er
plötzlich die Hand aus der Tasche, und es stellte sich heraus, daß das
rechteckige Ding eine Packung Zigaretten war. Meine Marke, dachte Bettina. Sie
holte die rechte Hand unter der Decke hervor.
    Der Mann nahm eine Zigarette
aus der Packung und behielt sie zwischen den Fingern, ohne sie anzustecken.
    Bettina fand jetzt den Mut,
ihren Besucher, der zweifellos stumm oder nicht ganz richtig im Kopf oder
beides zusammen war, genauer zu betrachten.
    Er gefiel ihr. Und gleich wurde
sie sich wütend ihrer unvorteilhaften Verfassung bewußt. Sicher hing die
Wimperntusche in großen, dunklen Wischern unter ihren Augen, sie hatte ja
vorhin
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