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Ein Held unserer Zeit

Ein Held unserer Zeit

Titel: Ein Held unserer Zeit
Autoren: Michail Lermontow
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Freund?"
     
    "Dich!" hatte der Kosak geantwortet.
     
    Und damit hat er ihm einen so furchtbaren Schlag mit seinem Säbel gegeben, daß er ihn von der Schulter bis beinah zum Herzen durchgehauen hatte ...
     
    Die beiden Kosaken, die mir begegnet waren und den Mörder verfolgt hatten, waren herbeigestürzt und hatten den Verwundeten aufgehoben; allein dieser hatte bereits in den letzten Zügen gelegen und nur diese drei Worte hervorbringen können: "Er hatte Recht."
     
    "Ich allein begriff den dunklen Sinn dieser Worte – sie bezogen sich auf mich; ich hatte dem Armen unwillkürlich sein Geschick vorausgesagt; mein Instinkt hatte mich nicht getäuscht: Ich hatte wirklich auf seinem veränderten Gesicht den Stempel des nahen Todes gelesen."
     
    Der Mörder hatte sich am Ende der Colonie in eine leere Hütte eingeschlossen. Wir begaben uns dorthin. Ein Haufen Weiber lief heulend nach derselben Richtung. Von Zeit zu Zeit stürzte ein Kosak, der die Nacht durchschwärmt, heraus auf die Straße, gürtete in der Eile seinen Kinschal und überholte uns. Der Lärm war furchtbar. Endlich waren wir an Ort und Stelle. Die Volksmenge umgab die Hütte, deren Thüren und Fenster von innen verschlossen waren. Die Offiziere und Kosaken sprechen hitzig mit einander; die Weiber heulen und kreischen. Unter ihnen fiel mir das eigenthümliche Gesicht einer Alten auf, das eine geradezu wahnsinnige Verzweiflung ausdrückte. Sie saß auf einem Balken, die Ellenbogen auf die Knie gestützt und den Kopf in den Händen haltend, – es war die Mutter des Mörders. Ihre Lippen bewegten sich von Zeit zu Zeit ... Flüsterten sie ein Gebet oder einen Fluch?
     
    Es mußte jedoch irgend ein Entschluß gefaßt werden, um den Verbrecher zu ergreifen. Aber Niemand wagte sich zuerst an die Hütte heran. – Ich näherte mich dem Fenster und blickte durch einen Spalt des Ladens. Der Kosak lag bleich auf der Diele, in der Rechten eine Pistole haltend; der blutige Säbel lag neben ihm. Er rollte die Augen mit einem furchtbaren Ausdruck umher; bisweilen erbebte er und griff sich an den Kopf, als ob er sich undeutlich an das Geschehene erinnere. Ich vermochte keine große Entschlossenheit in diesem unruhigen Blicke zu lesen und sagte zu dem Major, das Beste sei, die Thür einzustoßen und die Kosaken jetzt eindringen zu lassen, damit er nicht Zeit finde, erst wieder zum vollen Bewußtsein zu kommen.
     
    In diesem Augenblick trat ein alter Jessaul 1 auf die Thür zu und rief ihn bei Namen; der da drinnen antwortete.
     
    "Du hast gesündigt, Bruder Jefimitsch," sagte der Jessaul; "es ist also nichts mehr zu machen, – du mußt dich ergeben!"
     
    "Ich ergebe mich nicht!" antwortete der Kosak.
     
    "Versündige dich nicht wider Gott! Du bist ja doch kein verfluchter Tschetschenze, sondern ein ehrlicher Christ. Und wenn du dich zu einem Verbrechen hast hinreißen lassen, so ist nichts zu machen, deinem Schicksal wirst du nicht entgehen!"
     
    "Ich ergebe mich nicht!" schrie der Kosak mit drohender Stimme, und wir hörten, wie der aufgezogene Hahn knackte.
     
    "Heda, Mütterchen," sagte der Jessaul zu der Alten; "rede du deinem Sohne zu; vielleicht hört er auf dich ... Dies Alles reizt ja nur den Zorn Gottes. Schau, die Herren warten bereits zwei Stunden."
     
    Die Alte sah ihn starr an und schüttelte den Kopf.
     
    "Wassili Petrowitsch," sprach der Jessaul, zu dem Major tretend, "er wird sich nicht ergeben; ich kenne ihn, und wenn man die Thür einschlägt, wird er mehr als Einem den Garaus machen. Wäre es nicht das Beste, ihn niederzuschießen? Da in dem Fensterladen ist ein breiter Spalt."
     
    In diesem Augenblick zuckte mir ein seltsamer Gedanke durch den Kopf: Gerade wie Wulitsch wollte ich das Schicksal versuchen. "Warten Sie," sagte ich zu dem Major; "ich werde ihn lebendig ergreifen."
     
    Ich sagte dem Jessaul, er möge durch ferneres Reden mit ihm seine Aufmerksamkeit ablenken, und nachdem ich drei Kosaken an der Thür aufgestellt, mit dem Befehl, sie auf ein gegebenes Zeichen einzustoßen und mir zur Hilfe zu kommen, ging ich um die Hütte herum und näherte mich dem verhängnißvollen Fenster; heftig pochte mir das Herz.
     
    "Du verfluchter Kerl!" schrie der Jessaul. "Willst du dich noch über uns lustig machen! Oder meinst du, wir würden mit dir nicht fertig!" Und er begann mit aller Gewalt gegen die Thür zu stoßen. Ich legte das Auge an den Spalt und folgte allen Bewegungen des Kosaken, der von dieser Seite durchaus keinen Angriff
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