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Ein Held unserer Zeit

Ein Held unserer Zeit

Titel: Ein Held unserer Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Lermontow
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Erschütterung meiner Nerven, in der schlaflosen Nacht, in den zwei Minuten, während welcher ich dem Lauf einer Pistole gegenüberstand, und in meinem nüchternen Magen.
     
    Alles ist also gut gegangen. Diese neue Erregung bewirkte bei mir, um mich eines militärischen Ausdrucks zu bedienen, eine glückliche Diversion. Thränen erleichtern; und wenn ich nicht einen längeren Ritt gemacht und nicht genöthigt worden wäre, fünfzehn Werst zu Fuße zurückzulegen, wahrscheinlich hätte sich dann auch in dieser Nacht der Schlaf nicht eingefunden.
     
    Als ich zu Kislowodsk ankam, war es fünf Uhr Morgens; ich warf mich auf mein Bett und schlief wie Napoleon nach der Schlacht bei Waterloo.
     
    Als ich erwachte, war es bereits dunkel. Ich setzte mich an das Fenster, hüllte mich in meinen Mantel und die Waldluft erfrischte meinen vom Schlaf und der Ermüdung noch etwas schweren Kopf. In der Ferne und hinter dem Flusse schimmerten durch die Zweige der dichten Linden, die ihn mit ihrem Schatten bedeckten, die Lichter im Fort und im Dorfe. In dem Hofe meines Hauses war Alles still; in der Wohnung der Fürstin schimmerte noch kein einziges Licht.
     
    Da trat der Doctor ein. Er zeigte ein finsteres Gesicht. Ganz gegen seine Gewohnheit reichte er mir nicht die Hand.
     
    "Woher kommen Sie, Doctor?"
     
    "Von der Fürstin Ligowski; ihre Tochter ist krank – die Nerven ... Aber darum komme ich nicht zu Ihnen. Hören Sie: die Behörden schöpfen Verdacht, und obgleich kein einziger positiver Beweis gegen Sie vorliegt, möchte ich Ihnen doch rathen, auf Ihrer Hut zu sein. Die Fürstin sagte mir heut', sie wisse, daß Sie sich wegen Ihrer Tochter duellirt hätten. Jener kleine Greis hat ihr Alles erzählt ... Wie soll man's abläugnen? Er ist ja in der Restauration Zeuge Ihres Streites mit Gruschnitzki gewesen. Ich kam, Sie zu benachrichtigen ... Leben Sie wohl. Vielleicht sehen wir uns nicht wieder: man wird Sie irgendwo hinschicken."
     
    Auf der Schwelle blieb er stehen. Er hätte mir gern die Hand gedrückt ... und wenn ich das geringste Verlangen darnach zu erkennen gegeben hätte, würde er sich mir an den Hals geworfen haben; aber ich blieb kalt wie Stein, und – er ging.
     
    So sind die Menschen! Sie sind sich alle gleich. Sie kennen zum Voraus alle schlechten Seiten einer Handlung, sie helfen, rathen, ja ermuthigen uns, weil sie sehen, daß nicht anders gehandelt werden konnte, – aber dann waschen sie sich die Hände in Unschuld und wenden sich entrüstet von dem ab, der die Verwegenheit hatte, die ganze Schwere der Verantwortung auf sich zu nehmen. So sind sie Alle, sogar die besten und vernünftigsten ...
     
    Am andern Morgen erhielt ich von der höchsten Ortsbehörde den Befehl, mich in das Fort zu begeben. Ich ging zu der Fürstin, um mich von ihr zu verabschieden.
     
    Sie fragte mich, ob ich ihr nicht etwas besonders Wichtiges zu sagen hätte, und als ich mich darauf beschränkte, ihr zu antworten, ich wünsche ihr alles mögliche Glück u.s.w. – da schien sie sehr überrascht.
     
    "Aber ich," versetzte sie, "habe Ihnen etwas sehr Ernstes zu sagen."
     
    Ich nahm schweigend Platz.
     
    Es war offenbar, daß sie nicht wußte, wie sie beginnen sollte. Ihr Gesicht röthete sich ein wenig, während ihre dicken Finger auf dem Tische trommelten; endlich begann sie mit bewegter Stimme also:
     
    "Hören Sie, Herr Petschorin, ich glaube, Sie sind ein Ehrenmann."
     
    Ich verbeugte mich.
     
    "Ich bin sogar davon überzeugt," fuhr sie fort, "obgleich Ihr Verhalten einige Zweifel erregen könnte; aber Sie dürften vielleicht Gründe haben, die ich nicht kenne, und jetzt bitte ich Sie, mir dieselben anzuvertrauen. Sie haben meine Tochter wider Verleumdungen vertheidigt, sich Ihretwegen duellirt – also für sie Ihr Leben aufs Spiel gesetzt ... Antworten Sie nicht, ich weiß, daß Sie das nicht eingestehen werden, weil Gruschnitzki gefallen ist. (Hier bekreuzte sie sich). Gott vergebe ihm – und Ihnen ebenfalls! ... Es ist nicht meine Sache ... ich habe nicht den Muth, Sie anzuklagen, weil meine Tochter, obgleich unschuldigerweise, die Veranlassung gewesen. Sie hat mir Alles erzählt – ja, Alles, glaube ich. Sie haben ihr Ihre Liebe erklärt ... und sie hat Ihnen die ihre gestanden. (Hier seufzte die Fürstin tief auf). Aber sie ist krank, und ich fürchte, es ist nicht eine gewöhnliche Krankheit, an der sie leidet! Ein geheimer Schmerz nagt an ihr; sie will es nicht eingestehen, aber ich bin überzeugt, daß

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