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Ein Haus in Italien

Ein Haus in Italien

Titel: Ein Haus in Italien
Autoren: Lisa St Aubin de Terán
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gebrochenem Flügel. Nicht nur hatte sein Werk
zeug Schaden gelitten, die Pornoheft-Ausbeute eines ganzen Lebens war durchweicht, und jetzt klebten die Hochglanzseiten zusammen. Es dauerte Tage, bis er nach dem Schock nicht mehr wie ein aschfahler, begossener Pudel aussah und wieder seine üblichen Runden machte.
    Nachdem wir am Klima verzweifelt waren und uns auf ein Leben mit Frostbeulen eingestellt hatten, brachten die ersten Märztage die Rückkehr der Sonne. Genauer gesagt, die Rückkehr ihrer Wärme, denn die Sonne war nie fort gewesen. Den ganzen Winter über war das Licht ausgesprochen grell, und die Tage waren kalt, aber funkelnd. Die Märztage waren warm genug, nicht nur, um nachmittags draußen zu sitzen, sondern auch, um im Garten zu essen, und es gab versteckte, aber sichere Anzeichen dafür, daß die Lilien trieben. Sie erwiesen sich als allzu große Versuchung für die Schweine unseres Nachbarn, die in brandschatzenden Horden von bis zu dreißig anrückten und systematisch den von mir gepflanzten Reihen folgten. Maria stellte vorübergehend ihren Kampf gegen die Katzen ein, um mich in meinem Krieg gegen diese neuen Eindringlinge zu unterstützen. Der Garten wurde immer mehr in kleine umzäunte Gehege aufgeteilt.
    Ostern rückte näher, und ich war fast ebenso aufgeregt wie die Frauen, die ich im Dorfladen traf. Unser erster Schwung Besucher in diesem Jahr würde bald kommen. Jetzt, da Teile des Hauses möbliert waren, fiel mir kaum noch auf, daß auf den oberen Wänden fast nirgends Verputz war. Die ramponierten indischen Teppiche waren groß genug, um die unansehnlichen Zementböden fast völlig zu bedecken. Es gab bestimmte Blickwinkel in bestimmten Räumen, von wo aus ich deren unfertigen Zustand kaum wahrnahm, wenn ich die Augen zusammenkniff.
    Die große Sache an Ostern war offenbar, ein hier übliches süßes Brot namens cerumia zu backen und dann zu essen. Die Bedeutung von cerumia liegt nicht so sehr in seinem Geschmack, als vielmehr in dem Aufwand seiner Herstellung. Der wichtigste Teil des Rezeptes betraf den frühen Beginn – spätestens um vier Uhr morgens – und das rituelle Anheizen eines alten Brotofens. Dann wurde der Teig viele Stunden lang geknetet.
    Cerumia stellten mehrere Frauen gemeinsam her, da keine genug Kraft gehabt hätte, die Aufgabe allein zu bewältigen. Abwechselnd schlugen und traktierten sie den Teig in dem riesengroßen Bottich, bis sie fanden, er sei fertig. Die Herstellung von cerumia war die ortsübliche weibliche Entsprechung zum Kreuztragen. Gegen Einbruch der Dämmerung hatte sie pro Haus ein Häufchen völlig erschöpfter Frauen und bis zu zwei Dutzend goldbrauner Kuchen hervorgebracht. Im ganzen Dorf schwebte aus Cantinas und den Gärten hinter dem Haus frischer Brotduft. Claras Nachbarn hatten ihren traditionellen Brotofen durch einen holzbetriebenen Herd ersetzt, der seinen Qualm in ihre Kirschbäume pustete, als habe sich eine Spielzeuglok im Gras festgefahren.
    Die erste Enttäuschung der cerumia -Zeremonie kam mit dem Probieren. Es war ein außerordentlich fader Kuchen oder ein verwirrend süßer Laib Brot. In keiner der beiden Kategorien war er preisverdächtig. Nachdem er in einem krönenden Ritual mit bunten Liebesperlen bestreut worden war, bestand die zweite Enttäuschung darin, daß er in alarmierendem Tempo austrocknete. Wir wurden mit mehreren Cerumias beschenkt, die wir kosten und hinsichtlich ihrer jeweiligen Vorzüge beurteilen mußten. So sehr ich mich bemühte, ich konnte keine Unterschiede herausschmecken, die ver
brannten ausgenommen. Unsere Besucher waren entweder pappsatt von ihren eigenen Familienrationen oder nicht an die fade altbackenen Riesenstücke dieses Gugelhupfs gewöhnt. Ich hatte nicht das Herz, meine Cerumias wegzuwerfen, also lagen sie im Brotkasten und wurden täglich härter. Sie waren bemerkenswert schimmelresistent. Sieben Wochen später spukten sie immer noch in der Küche herum.
    Nachdem die eigentliche Arbeit mit den Cerumias beendet war, wurde in letzter Minute noch anderes gebacken. Dies waren die Brote für die crostini , außerdem ein süßes Mürbeteiggitter mit Quittengelee-Belag, die torcola mit mehreren Dutzend frischen Eiern und eine flache Cremetorte. Umbrische Backwaren sind ohne jede Raffinesse, die Kuchen der Gegend sind schwer, aber köstlich, und würde nicht zu jedem einzelnen Stück Kuchen ein weiterer Keil des unumgänglichen cerumia serviert, ich hätte im Dorf endlos die Runde machen und mich
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