Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Haus in Italien

Ein Haus in Italien

Titel: Ein Haus in Italien
Autoren: Lisa St Aubin de Terán
Vom Netzwerk:
also nur, was alle hiesigen Eltern an unserer Stelle getan hätten. Wir hatten nur mehr zu organisieren, weil unsere Gäste aus der ganzen Welt kamen. Um bei der Organisiererei den Überblick nicht zu verlieren, machten wir noch mehr Listen.
    Alles war in Aufruhr, nicht zuletzt, weil es völlig ausgeschlossen schien, vor der Hochzeit die Schlafzimmer im zweiten Stock und den Turm fertigzustellen. Policarpo und sein Bruder Giovanni, beide mit unglaublich kleinen Köpfen und gänzlich halslos, trotteten draußen hinter einem Bulldozer her und versuchten, vor dem Hochzeitstag sechs abgezirkelte Rasenstücke zum Sprießen zu bekommen. Sie kämpften von früh bis spät gegen Hitze und herabrieselnden Zement
staub, gossen und säten etwas, das trotz allem nur aussah wie Matsch.
    Nichts schien bei diesem Fest ohne Probleme zu gehen, und als ich mit meinem Koffer Babykleidung und einem Bündel Hochzeitslisten zum Kaiserschnitt ins Krankenhaus ging, hatte ich das Gefühl, nur auf das Ergebnis dieses Eingriffs sei halbwegs Verlaß. Ich wurde am errechneten Tag in die Entbindungsstation aufgenommen und keuchte wahrlich elefantös die ausgetretenen Marmortreppen hoch. Florence Duff-Scott erwies sich als einer der kleinsten Säuglinge, die ich je außerhalb eines Brutkastens gesehen habe. Sie war die erste echte Umbrierin unserer Familie.
    Am Tag nach der Geburt kam eine Krankenschwester aus dem Stockwerk tiefer und sagte, Iseult liege in der Frauenmedizin im Zimmer direkt unter mir, und zwar mit Nierensteinen. Eine Kolik hatte sie in den frühen Morgenstunden auf dem Weg zu einer Diskothek niedergestreckt.
    »Klopfen Sie gegen den Fußboden«, sagte die Krankenschwester. »Sie kann Sie hören, sie hat Angst, daß sie die Hochzeit verpaßt.«
    Zwei Tage später humpelte eine verzweifelte große Tochter in mein Zimmer, um mir und meiner kleinen Tochter Gesellschaft zu leisten, und weiter ging es mit den Listen. Tag für Tag kämpften sich Dutzende von Besuchern durch das Gestrüpp rosafarbener Blumensträuße, die, wie schon Iseults Hochzeitsgeschenke, von Menschen kamen, die ich kaum kannte. Maria reiste jeden Tag an, um mich zu besuchen, sie brachte Neuigkeiten, Essen und Listen. Im Krankenhaus herrschte brütende Hitze, und die Verbindung von Hitze und wachsenden Festproblemen raubte mir den Verstand. Bäcker, Lebensmittelhändler, der Koch, die Taxifahrer, Weinhändler,
Fischhändler, Blumenhändler, alle hatten Fragen, und alle fragten sie mich. Ich vermute im stillen, daß Florence so früh und mit derartiger Geläufigkeit den hiesigen Dialekt sprechen lernte, weil sie direkt nach ihrer Geburt mit zahllosen Fragen zur Hochzeit bombardiert wurde.
    Als Florence zwölf Tage alt war, brachte ich sie nach Hause, durch die Felder mit staksigem Tabak und knospenden Sonnenblumen, vorbei am Grünbraun umbrischer Erde und der rötlichen Färbung von gebranntem Umbra um uns. Ich spürte eine große Erleichterung, als wir im Dorf ankamen und an den vertrauten Orten vorüberfuhren: Olivenpresse und großes Haus; das Grüppchen gedrungener Steinhütten am Weg zur Kirche und der auf der Kuppe gelegenen Schule; die Hauptstraße, die sich an der Bar mit dem wuchernden wilden Wein, dem Laden und der Tankstelle vorbeischlängelte; die neue Straße mit dem Metzger, dem Blumengeschäft und einigen Häusern, jedes mit breiter, unfertiger Fassade, die in tristem Zement auf üppig gedeihende Gärten blickte. Zum ersten Mal sah ich diese Häuser nicht als Schandfleck des Dorfes, sondern als etwas, das es am Leben halten würde. Ich drückte die winzige, eingehüllte Florence enger an mich, als das Auto an der Klosterkapelle mit den Fresken der Geißelung und Kreuzigung vorüberholperte, dann bogen wir in die Schotterstraße ein, die zum palazzo hinaufführte. An der Abzweigung bei der Bar war alles unverändert. Regina beschimpfte ihren betrunkenen Ehemann, stand dabei breitbeinig, in einer Hand die Zigarette, in der anderen ein totes Kaninchen, schleuderte das entseelte Pelztier auf bedrohliche Weise durch die Luft, brüllte, während ihre Kunden sich dem trüben Weißwein widmeten und mit ihren Boccia-Kugeln die holprige Sandbahn hinunterzielten.
    In einer Kurve der Schotterstraße stieß das Taxi fast mit der ape (ein dreirädriges Motorrad mit zwei Sitzen und einer winzigen Ladefläche, für das man keinen Führerschein braucht) Giannis und des alten zerbrechlichen Cenci zusammen. Gianni mit seinem Stimmverstärker grinste am Steuer, Cenci mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher