Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein guter Jahrgang-iO

Ein guter Jahrgang-iO

Titel: Ein guter Jahrgang-iO
Autoren: Peter Mayle
Vom Netzwerk:
diesjährige Lieferung sprechen, und ich fand es seltsam, zu erfahren, dass er weg sei. Er reist nämlich sonst nie, das ist hier bekannt; soviel ich weiß, hat er noch nie auch nur eine Nacht außer Haus verbracht. Dazu kam, dass seine Frau mir keine Telefonnummer geben wollte, unter der ich ihn erreichen konnte. Daher bin ich schnurstracks zu Skinner geeilt, und dort war auch niemand zu Hause, bis auf die Haushälterin, diese neugierige alte Schachtel. Daraufhin habe ich Sie angerufen, und als Sie mir erzählten, Sie hätten gerade eine Privatverkostung für einen Engländer arrangiert, brauchte ich nur noch zwei und zwei zusammenzählen.« Sie starrte in ihr Glas und schüttelte den Kopf. »Jammerschade, dass Roussel die Nerven verloren und beschlossen hat, künftig auf dem Pfad der Tugend zu wandeln. Der Plan war erstklassig.«
    Fitzgerald beugte sich vor und berührte ihre Hand. »Macht nichts. Er hat uns lange gute Dienste geleistet. Und sich bezahlt gemacht: Für uns beide ist in den letzten Jahren mehr als genug herausgesprungen, um sich zur Ruhe zu setzen, Sie in Kalifornien und ich in New York. Amerika ist für Europäer immer noch ein angenehmes Land zum Untertauchen. Und morgen um die gleiche Zeit werden wir bereits dort sein.« Er wandte sich an die dritte Person am Tisch, einen Mann mit hohlen Wangen und Bürstenhaarschnitt. »Und was ist mit Ihnen, Philippe? Hat es Ihnen zur Abwechslung einmal Spaß gemacht, einen Bullen zu spielen?«
    Ein Lächeln ließ das kantige Gesicht des Mannes weicher erscheinen. »Leichte Arbeit«, erwiderte er. »Und die Bezahlung ist gut.« Das Bündel Hundert-Euro-Scheine, das Fitzgerald ihm zugesteckt hatte, war so dick, dass er es auf beide Jackentaschen verteilen musste. »Merkwürdig. Die haben nicht einmal verlangt, dass sich unsere Jungs in Uniform ausweisen. Man glaubt wohl nur allzu gern, was man sieht.«
    »Was man zu sehen meint«, sagte Fitzgerald. »Was man zu sehen meint. Ähnlich wie beim Wein. Sagen Sie, wie sind Sie mit ihnen verblieben?«
    »Skinner und Roussel hatten ziemlich einleuchtende Argumente, muss ich gestehen. Vor Gericht würden sie vermutlich mit einer strengen Ermahnung und einer Geldbuße davonkommen. Aber ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass sie überhaupt Ärger machen werden. Ich habe ihnen versichert, dass wir im Fall des so genannten Monsieur Fitzgerald und seiner dubiosen Weingeschäfte umfassend ermitteln werden und dass wir in Kontakt bleiben. Und ich habe sie in dem Glauben bestärkt, dass sie einer Strafverfolgung entgehen könnten, wenn sie sich nichts mehr zuschulden kommen lassen und bereit sind, zu gegebener Zeit zu kooperieren. Ich nehme an, dass sie während des nächsten halben Jahres kleine Brötchen backen und das Beste hoffen.«
    »Chapeau, Philippe. Ausgezeichnet. Und nun haben wir uns etwas Gutes verdient.« Fitzgerald hatte kaum Zeit, die Hand zu heben, als auch schon ein ganzes Heer von Kellnern zu seinen Diensten eilte. »Die foie gras ist hervorragend. Und ich glaube, sie werden uns ein Glas Yquem dazu empfehlen.«

 
ZWANZIG
     
    Es dauerte nicht lange, bis in Max der Verdacht aufkeimte, dass sie an der Nase herumgeführt worden waren. Der erste augenfälligste Hinweis war Maître Auzets Verschwinden, spurlos und über Nacht, was noch monatelang, möglicherweise sogar jahrelang Thema der faszinierendsten Spekulationen im Dorf zu bleiben versprach. Sie hatte beim Postamt keine Nachsendeadresse hinterlassen, was in St. Pons als sicheres Zeichen für vernunftwidriges, wenn nicht gar gesetzwidriges Verhalten galt. War sie mit einem Geliebten durchgebrannt? Oder hatte sich - ein Gedanke, der stets von einem morbiden, wenngleich köstlichen Schauder begleitet wurde - etwas Schlimmeres zugetragen? Ein crime passionnel, das eine plausible Erklärung für ihr verwaistes Büro und die geschlossenen Fensterläden ihres Hauses bot? Die Gerüchte überschlugen sich - sie war in Marseille gesehen worden, jemand hatte Licht in ihrem Haus entdeckt, und man munkelte, sie habe das Geld eines Mandanten veruntreut oder der lasterhaften Welt Lebewohl gesagt, um in den Orden der Barmherzigen Schwestern einzutreten. Jeden Tag machte eine neue Sensationsgeschichte die Runde. Wie einer der alten Männer im Café meinte, waren sie spannender als alles, was das Fernsehen brachte.
    Max und Roussel behielten ihre Theorien verständlicherweise für sich, in der Hoffnung, dass mit der Zeit das Interesse abflauen würde. Irgendwann,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher