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Ein guter Jahrgang-iO

Ein guter Jahrgang-iO

Titel: Ein guter Jahrgang-iO
Autoren: Peter Mayle
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Jack-Russel-Terrier, die sich einen Spaß daraus machten, nach jedem Knöchel zu schnappen, der ihren Weg kreuzte. Ihr Herrchen im Schlepptau murmelte kleinlaut Entschuldigungen.
    Es war nicht nur zu nass, sondern vielleicht auch zu früh. Max pflegte seit geraumer Zeit ziemlich spät im Büro zu erscheinen, oft erst um halb acht, und Amis, sein Chef und seine Nemesis, war darüber alles andere als erfreut. Heute Morgen aber würde sich das Blatt wenden. Max würde als Erster da sein und sich vergewissern, dass es diesem elenden Mistkerl nicht entging! Er hatte ein großes Problem mit seinem Arbeitsleben: Ihm gefiel der Job, aber die Leute waren ihm zuwider, Amis im Besonderen.
    Max drehte auf dem höchsten Punkt der Serpentine Road um und lief in Richtung Albert Memorial zurück, in Gedanken bereits in die Tagesgeschäfte verstrickt. Heute würde die Entscheidung über den Deal fallen, an dem er seit Monaten feilte; der Abschluss würde ihm einen satten Bonus bescheren, groß genug, um seinen unendlich geduldigen Schneider zu bezahlen und, noch wichtiger, sich die Bank vom Hals zu schaffen. Das gelegentliche leise Grollen der Missbilligung über die ausufernden Miesen auf seinem Konto war inzwischen wahren Drohbriefen gewichen, die ihn ermahnten, in einem so mageren Jahr den Gürtel enger zu schnallen. Auch das würde sich ändern, ganz gewiss. Von einer Welle der Zuversicht angespornt, setzte er zum Endspurt durch die Rutland Gate an, schüttelte sich wie ein nasser Hund auf der Schwelle und schloss die Eingangstür des Georgianischen Hauses mit der Stuckfassade auf, das ein Erschließungsunternehmen ausgeweidet und in ein, wie es hieß, begehrtes »pieds-à-terre für dynamische Jungmanager« umgewandelt hatte.
    Der Hausmeister des imposanten Bauwerks, ein Zwerg von einem Mann mit dem fahlen Teint eines Lebewesens, das in geschlossenen Räumen sein Dasein fristet, blickte von seinem Staubsauger hoch und schnalzte ungehalten mit der Zunge, als er die nassen Fußabdrücke erspähte, die Max auf dem Teppich hinterließ.
    »Sie bringen mich noch ins Grab, alles was recht ist! Schauen Sie sich den verdammten Matsch an, überall auf meinem Axminster!«
    »Tut mir Leid, Bert«, entgegnete Max und starrte auf den Teppichboden. »Dauernd vergesse ich, die Schuhe auszuziehen, bevor ich das Haus betrete.«
    Bert schniefte. Jedes Mal, wenn es regnete, gab es die gleiche Debatte, und sie endete stets mit der gleichen Frage. Der Hausmeister war ein eifriger Beobachter des Aktienmarktes und wartete auf eine günstige Gelegenheit, mit Hilfe der einen oder anderen Information, die nur Eingeweihten zugänglich war, einen kleinen Insiderhandel zu tätigen. »Haben Sie wenigstens ein paar gute Tipps für heute auf Lager?«
    Max hielt vor der Fahrstuhltür inne und legte die Finger an die Lippen. »Zum Tiefstkurs kaufen. Zum Höchstkurs verkaufen. Aber keiner Menschenseele etwas verraten.«
    Bert schüttelte den Kopf. Ganz schön dreist, dieser junge Spund, sich auch noch lustig über ihn zu machen. Aber er war der Einzige im ganzen Haus, der seinen Geburtstag mit einer Flasche Scotch zur Kenntnis nahm, und Weihnachten ließ er sich auch nicht lumpen, steckte ihm immer einen gut gefüllten Briefumschlag zu. Im Grunde kein schlechter Kerl, dachte Bert, als er den Staubsauger über die nassen Matschspuren hin und her schob.
    Max' Luxusapartment im zweiten Stock war eine Baustelle - oder, wie ein Freund, seines Zeichens Innenarchitekt, mit Blick auf einen lukrativen Auftrag gemeint hatte, eine unvollendete Symphonie. Im Moment wurde es lediglich als Schlafplatz und nur selten für andere Dinge genutzt. Es enthielt zwei erstklassige moderne Gemälde, an die Wand gelehnt, ein paar eckige avantgardistische Möbelstücke, an denen man sich ständig blaue Flecken holte, einen verstaubten Ficus in beklagenswertem Zustand und eine ganze Batterie von Stereo- und Videogeräten. Obwohl er bereits seit zwei Jahren hier wohnte, hatte Max es erfolgreich vermieden, dem Apartment eine persönliche Note zu verleihen, abgesehen von einem kleinen Stapel Laufschuhe in einer Ecke. Er ging in die winzige, weitgehend unbenutzte Küche, öffnete den Kühlschrank, der bis auf eine Flasche Wodka und eine Tetra-Packung Orangensaft leer war, und nahm den Orangensaft mit ins Bad.
    Heißes Wasser und eiskalter Saft. Die Dusche nach dem Laufen war die tägliche Belohnung für eine seiner wenigen gesundheitszuträglichen Gewohnheiten. Er arbeitete zu hart, aß zu
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