Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Glas voll Mord

Ein Glas voll Mord

Titel: Ein Glas voll Mord
Autoren: Charlotte MacLeod
Vom Netzwerk:
Vorsitz zu führen! Annabelle war nie eingeladen worden, diesem erlesenen Verein beizutreten, und Janet rechnete gar nicht erst damit. Sie umklammerte das Einmachglas, nickte dem violetten Kleid zu, das über den gepflegten Ziegelweg rauschte, und ging ins Wartezimmer.
    Das Haus, das Elizabeth Druffitt von ihren Eltern geerbt hatte, war von ähnlich düsterer Pracht, wie es das Herrenhaus in seinen guten Zeiten gewesen war, aber sehr viel gepflegter. Die Einrichtung war in diesem Jahrhundert nicht verändert worden, außer dass neben den Kupferstichen von Königin Victoria und Prinz Albert mittlerweile Bilder von Edward  VII . und Königin Alexandra, George  V . und Königin Mary, George  VI . und Königin Elizabeth und Königin Elizabeth  II . und Prinz Philip hingen, in ordentlicher Reihenfolge. König Edward  VIII . allerdings glänzte durch Abwesenheit.
    Dieser Ort hier sieht aus wie ein Museum und wirkt wie ein Beerdigungsinstitut, dachte Janet, als sie sich mit ihrem beunruhigenden Mitbringsel auf ein rutschiges schwarzes Rosshaarsofa mit gehäkelten Schondeckchen an der Rückenlehne setzte. Kein Wunder, dass Gilly sich geweigert hatte, mit ihrem Sohn hier einzuziehen. Wie musste es gewesen sein, als einzige Tochter in dieser staubigen Gruft aufzuwachsen?
    Als Janet sich setzte, stand der kleine Zeiger der rot marmorierten Uhr auf dem Kaminsims genau auf zwei. Sie sah dem großen Zeiger zu, der sich erst auf fünf nach, dann auf zehn nach und schließlich auf viertel nach zwei schob. Dr. Druffitt brauchte bemerkenswert lange, um sein Auto in der Garage zu verstauen. Vielleicht war er noch kurz in die Küche gegangen, um schnell eine Kleinigkeit zu essen; aber er hätte ja wenigstens mal kurz nachsehen können, ob vielleicht Patienten auf ihn warteten. Langsam wurde Janet ärgerlich. Sie hustete ein- oder zweimal, und als sich daraufhin nichts tat, stand sie auf und klopfte schüchtern an der Tür des Behandlungszimmers.
    Aber es blieb still. Sie klopfte lauter. Schließlich drückte sie die Klinke hinunter und sagte: »Dr.   Druffitt, sind Sie …«
    Da sah sie den Körper auf dem Boden. Der verrutschte Läufer zu seinen Füßen erzählte eine unzweideutige Geschichte. Der Parkettboden war gebohnert und spiegelglatt wie eine Schlittschuhbahn. Dr.   Druffitt musste auf dem Läufer ausgerutscht und mit dem Kopf gegen die Tischkante gestoßen sein.
    Janet kniete sich neben ihn und überlegte, ob sie ihm den Hemdkragen lockern sollte, bevor sie um Hilfe telefonierte; aber etwas an dem Aussehen des Doktors sagte ihr, dass hier jede Hilfe zu spät käme. Sie nahm sich zusammen und schob eine Hand unter seine Weste, um zu überprüfen, ob sein Herz noch schlug – aber da schlug nichts mehr. Sie erinnerte sich an etwas, das sie einmal gelesen hatte, nahm den Taschenspiegel aus ihrer Handtasche und hielt ihn vor seinen Mund. Es überraschte sie nicht, dass der Spiegel nicht beschlug.
    Aber warum hatte sie ihn nicht hinfallen hören? Sie hatte doch die ganze Zeit direkt vor der Tür gesessen! Vielleicht war es genau in dem kurzen Augenblick passiert, als sie und Mrs.   Druffitt sich vor der Tür unterhalten hatten. Wie grauenhaft – der Gatte liegt tot am Boden und die Gattin spaziert davon zum Teetrinken, mit violetten Veilchen auf dem Kopf!
    »Oh mein Gott«, dachte Janet. »Ich muss rübergehen und es ihr sagen.«
    Janet wusste, wo der Dienstagsklub tagte, in der Sakristei der Reformierten Baptistenkirche. Wie sollte sie einem Haufen vornehmer Damen diese Schreckensnachricht beibringen? Könnte sie den Doktor denn hier so liegen lassen? Was, wenn ein Kind in die Praxis hereinspazierte und ihn so fände, oder eine ältere Person mit einem schwachen Herz?
    Schließlich lichtete sich das Chaos in Janets Kopf wieder. Sie wusste, was sie zu tun hatte. Sie würde Fred Olson anrufen. Olson war Pitchervilles Marshall, außerdem Pitchervilles Automechaniker und im Bedarfsfall auch Pitchervilles Schmied. Seine Tätigkeit als Marshall beschränkte sich normalerweise darauf, samstagnachts die üblichen randalierenden Betrunkenen aufzusammeln und Strafzettel an die gelegentlichen Amerikaner zu verteilen, die bei hundert Stundenkilometern die Landschaft genossen – aber er war eine gute Seele und besser als niemand.
    Als sie ihn am Telefon hatte, zitterte ihre Stimme so sehr, dass er sie kaum verstehen konnte. »Fred, hier ist Janet Wadman. Ich bin hier in Dr. Druffitts Praxis, und besser, Sie kommen schnell her. Er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher