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Ein Ganz Besonderer Fall

Ein Ganz Besonderer Fall

Titel: Ein Ganz Besonderer Fall
Autoren: Ellis Peters
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Cadfael kannte sie seit einigen Jahren. Er hatte mehr als einmal Gelegenheit gehabt, sich in schwierigen Angelegenheiten auf sie zu verlassen. Er vertraute blind auf sie.
    Sie näherte sich höflich dem Abt, blickte zur Seite und steuerte auf Hugh zu und schaffte es, beide Männer vor sich aufzuhalten, so daß kirchliche und weltliche Autorität zu ihrer Verfügung standen. Die anderen Trauernden, Mönche wie Laien, strömten aus der Kirche und warteten respektvoll, bis sich die hohen Herrschaften ungehindert entfernt hatten.
    »Meine Herren«, sagte Schwester Magdalena, indem sie ihre Ehrenbezeugung zwischen Kirche und Staat aufteilte, »ich erbitte Eure Verzeihung dafür, daß ich so spät komme, aber die jüngsten Regenfälle haben die Wege zum Teil überflutet, und ich unterschätzte die Verzögerungen. Mea culpa! Ich werde für unsere Brüder beten und hoffe, daß ich wenigstens die Messe besuchen kann, um das heutige Versäumnis wiedergutzumachen.«
    »Ob früh oder spät, Schwester, Ihr seid immer willkommen«, erwiderte der Abt. »Ihr solltet ein oder zwei Tage bleiben, bis die Wege wieder frei sind. Und auf jeden Fall sollt Ihr beim Essen mein Gast sein.«
    »Ihr seid sehr freundlich, Vater«, erwiderte sie. »Wäre es nach mir gegangen, dann hätte ich Euch gar nicht belästigt. Ich habe dem Herrn Sheriff einen Brief zu überbringen.« Sie wandte sich ernst an Hugh. Sie hatte das zusammengerollte und versiegelte Pergament in der Hand. »Ich muß Euch erklären, wie dieser Brief nach Godric’s Ford kam. Mutter Mariana erhält regelmäßig Briefe von der Priorin unseres Mutterhauses in Polesworth. Im letzten, der erst gestern kam, war dieser Brief hier eingeschlossen. Er stammte von einer Dame, die gerade erst in Gesellschaft anderer Reisender eingetroffen war und sich nach der Reise ausruhte. Er ist an den Sheriff von Shropshire gerichtet und mit dem Siegel von Polesworth versiegelt. Ich brachte ihn bei dieser Gelegenheit mit, da ich dachte, er könnte wichtig sein. Mit Eurer Erlaubnis, Vater, will ich ihn nun übergeben.«
    Wie sie es schaffte, blieb ihre Geheimnis, doch sie hatte die Gabe, die Menschen derart in ihren Bann zu ziehen, daß diese glaubten, sie könnten etwas Wichtiges verpassen, wenn sie nicht auf sie achteten. Keiner hatte sich bewegt, keiner hatte ein alltägliches Gespräch begonnen, und alle Bewegungen im Hof zielten nur darauf, sich dem Gedränge anzuschließen oder leise um das Gedränge herumzugehen und einen Platz zu finden, von dem aus man besser sehen und hören konnte.
    Kleider raschelten sehr leise, Füße scharrten leicht, als Hugh die Rolle nahm. Das Siegel war natürlich makellos, denn es wurde auch in der Klause von Polesworth in Godric’s Ford geführt.
    »Habe ich Eure Erlaubnis, Vater? Es könnte wichtig sein.«
    »Nun lest schon«, sagte der Abt.
    Hugh brach das Siegel und rollte das Blatt auf. Er las mit zusammengezogenen Augenbrauen und schien sehr gefesselt.
    Die Menschen auf dem großen Hof hielten den Atem an oder atmeten nur leise und vorsichtig. In der Luft lag eine fast fühlbare Spannung.
    »Vater«, sagte Hugh, indem er abrupt den Kopf hob, »diese Angelegenheit betrifft nicht nur mich. Andere haben viel mehr damit zu tun, und sie verdienen sofort zu erfahren, was hier geschrieben steht. Es ist ein Wunder! Und so wichtig, daß ich es als öffentliche Proklamation verkünden muß. Mit Eurer Erlaubnis will ich gleich hier und auf der Stelle vor allen diesen Menschen damit beginnen.«
    Er brauchte nicht die Stimme zu heben. Alle Ohren lauschten ihm, als er las:
    »Mein Herr Sheriff, mir kam zu meinem großen Entsetzen zu Ohren, daß man mich in meiner Heimat für tot hält. Man glaubt dort, ich sei ausgeraubt und um der Beute willen getötet worden. Deshalb schicke ich in großer Eile dieses Zeugnis, um zu verkünden, daß ich keineswegs tot bin, sondern lebendig und wohlauf die Gastfreundschaft des Schwesternhauses von Polesworth genieße. Ich bedaure sehr, daß Leben und Ehre anderer Menschen in Gefahr gerieten, weil man glaubte, mir sei ein Unglück zugestoßen; einige dieser Menschen mögen sogar meine Freunde und Diener gewesen sein. Ich bitte um Verzeihung, falls meine Person oder mein Schweigen für irgend jemand der Anlaß zu Aufregung und Sorge war. Es soll wieder gutgemacht werden.
    Was mein Leben in der Zwischenzeit angeht, so muß ich in aller Demut gestehen, daß ich, bevor ich mein Ziel erreichte, zu zweifeln begann, ob ich wirklich zur Nonne
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