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Ein Freund der Erde

Ein Freund der Erde

Titel: Ein Freund der Erde
Autoren: T.C. Boyle
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Kleid mit Rüschen an den Ärmeln, tief ausgeschnitten natürlich, hat einen halben Zentimeter Make-up aufgelegt, und das – pechschwarz gefärbte – Haar liegt schwer auf ihren Schultern. Sie fixiert mich mit diesem halb verträumten, halb berechnenden Blick ihrer großen Augen, den ich so gut kenne – oder jedenfalls kannte. »Können wir irgendwo miteinander reden?«
    Die meisten Menschen haben keinen Bezug zu Hyänen. Kommt das Gespräch auf Hyänen, starren sie einen ratlos an, als wäre von mythischen Wesen die Rede – was sie heute praktisch auch sind. Die Gebildeteren erinnern sich vielleicht an die alten Naturfilme, in denen Hyänen sich rudelweise über einen Kadaver hermachen oder dem neugeborenen Weißschwanzgnu die Gedärme zerfetzen und es in blutige Stücke reißen, bevor noch der Blick in seinen Augen erloschen ist, aber das ist alles, woran sie sich erinnern, an die Häßlichkeit und den Tod. Ich kannte mal einen afrikanischen Großwildjäger (Philip Ratchiss, von ihm später mehr), der minderwertige Elefanten ausmerzte im Auftrag der Regierung von Sambia, als es noch eine Regierung von Sambia gab, und der hatte etliche unangenehme Begegnungen mit allen drei Hyänenarten. Als er im Alter nach Kalifornien ging, nahm er seinen Flintenträger mit, einen Senga namens Mag oder Mug – hab’s mir nie merken können –, dem eine Hyäne das Gesicht abgezogen hatte, als er eines Abends besoffen am Lagerfeuer eingenickt war. Ratchiss kaufte ihm ein paar gute Hosen und Polohemden und schickte ihn zu einem Zahnarzt, aber von kosmetischer Chirurgie wollte Mag – oder Mug – nichts wissen. Ein Auge und die Ohren waren ihm geblieben. Der Rest des Gesichts ähnelte einer großen Dörrpflaume.
    Ich erzähle das deshalb, weil keiner begreifen kann, warum Mac unbedingt die Hyänen retten will – in Lilys Fall die Schabrackenhyäne –, wo doch Geparden, Kaffernbüffel, Nashörner und Elefanten ausgerottet sind. Und was sag ich darauf? Weil es sie noch gibt, deshalb. Und wenn es uns nicht gelingt, Lily mit dem Sperma des einzigen überlebenden Männchens im Zoo von San Diego zu schwängern, klonen wir sie eben – und danach klonen wir die Klone, ad infinitum. »Ich will die Tiere retten, die sonst keiner haben will«, sagte Mac zu mir, als wir unser derzeitiges Arrangement aushandelten. »Die, die nur eine Mutter lieben kann. Ist das nicht cool? Ist das nicht selbstlos und cool und mutig?« Ich antwortete, das sei es wohl. Und so wurden wir die Pfauen und die Vietnamesischen Hängebauchschweine los, ebenso die Hunde und Katzen und Ziegen und so weiter, und konzentrierten uns auf die weniger schillernden Viecher dieser Welt, die Warzenschweine, Pekaris, Hyänen und Schakale, die drei Löwen als Dreingabe, der Aufregung halber. Mac hört sie gern husten und brüllen, wenn er nachts heimkommt. Wenn er überhaupt in der Stadt ist. Was herzlich selten der Fall ist zu dieser Zeit des Jahres.
    Jedenfalls schießt mir Lily durch den Kopf, als Andrea sich vorbeugt und mich fragt, wie das so ist, für Maclovio Pulchris zu arbeiten. Wir sitzen jetzt im Speisesaal bei Kerzenschein und warten auf unser Essen, mittlerweile tief eingetunkt in Sake und zu zivilisiert – oder zu alt –, um uns unser kleines Wiedersehen von der ganzen Bitternis der Vergangenheit versauen zu lassen. Ich quatsche über Mac und wie er gern die Nacht durchmacht, sich mit einer Flasche Champagner und seiner momentanen Flamme in den Garten setzt und den Ameisenbären beim Schnarchen zuhört, während Lily in ihrem Käfig umherpirscht und sich über die Ratten amüsiert, die sie mit ihren vierkralligen Pfoten erwischt. Und dann bin ich überhaupt bei Lily, bei der Perfektion ihres Verdauungstrakts, ihrem (dank der zermahlenen Knochen) kalkhaltigen Stuhlgang; bei den überfahrenen Viechern, die wir ihr bei Gelegenheit verfüttern – meist Opossums, auch so eine r-Selektion –, als Andrea sich präventiv räuspert.
    Ich senke verlegen den Kopf – die glänzende kahle Kuppel meines Kopfes (Flow it, show it/ Long as God can grow it/ My hair) . Sauge an dem metallischen Flickwerk meiner Seniorenzähne. Spiele mit dem Sakeglas herum. Ich quatsche permanent, seit wir uns hingesetzt haben – und warum? Weil ich trotz meines Heldenmuts vorhin, trotz meiner Machophantasien, mal eine alte Goldader anzubaggern, ihren Körper in irgendeinem überheizten Motelzimmer auszubeuten und sie dann abzuschreiben, gute Nacht, Wiedersehen und danke für die
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