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Ein Freund aus alten Tagen

Ein Freund aus alten Tagen

Titel: Ein Freund aus alten Tagen
Autoren: Magnus Montelius
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Meijtens vertrat die Ansicht, seine Abhandlung über die Rolle Schwedens während der Kongokrise werde den außenpolitischen Kurs des Landes in der Nachkriegszeit in ein völlig neues Licht tauchen. Die Institutionen, die für die Vergabe von Forschungsmitteln verantwortlich zeichneten, waren sich da nicht so sicher, und so hielt sich Meijtens mithilfe kurzfristiger Stipendien und immer mehr Taxifahrten an den Wochenenden über Wasser.
    Währenddessen war Hannas Tweedmütze wieder auf dem Secondhandmarkt gelandet und ihre charmante Mähne in einer strengen und eleganten Frisur gebändigt worden. Er selbst sprach inzwischen vage darüber, populärwissenschaftliche Bücher zu schreiben, und Hanna war klug genug, nicht nachzufragen.
    Als Hanna ihr Medizinstudium abgeschlossen hatte, bekam sie von ihren Eltern eine Zweizimmerwohnung im gutbürgerlichen Stadtteil Vasastan geschenkt, die ebenso sehr eine Ermunterung wie eine Ermahnung war, ein neues Leben zu beginnen. In einem nur für Hanna bestimmten Kommentar, der jedoch so laut ausgesprochen wurde, dass Meijtens ihn mithörte, hatte Hannas Schwester es am offensten formuliert: Es war ein Riesenspaß, Hanna, wirklich. Aber hast du Papa jetzt nicht lange genug geärgert?
    Sie nutzten die Gelegenheit zu einer Beziehungspause, und Meijtens stürzte sich Hals über Kopf in weitere schlecht bezahlte Lehraufträge, nicht finanzierte Forschung und lange Taxischichten. Eines Abends starrte er in seiner kleinen Wohnung an die Decke, genau auf die Stelle, an der Hannas Deckenlampe gehangen hatte, und ihm wurde klar, wie erschreckend bekannt ihm das alles vorkam. Als er eines späten Abends im Možels bekannt gab, seine akademische Laufbahn aufgeben zu wollen, überraschte das niemanden. Auch die Neuigkeit, dass er sich nun der Journalistik zuwenden wolle, weckte kaum mehr als mechanischen Beifall. Einige von ihnen waren – eigentlich – Autoren irgendeiner Art oder wären es gewesen, wenn diese Branche nicht so aussichtslos gewesen wäre.
    Allerdings mangelte es Meijtens wie üblich an der nötigen Geduld, sich mit der praktischen Seite des Journalistenberufs zu beschäftigen. Als Günter Schabowski verkündete, die Berliner Mauer werde geöffnet, wartete er weder Vorschüsse noch Aufträge ab, sondern kaufte sich einfach eine Fahrkarte von Geld, das er streng genommen gar nicht besaß.
    Zwei Wochen lang arbeitete er wie ein Besessener. Tagsüber interviewte er Regierungsbeamte, Wachsoldaten und Demonstranten. Nachts saß er in einem schmutzigen kleinen Pensionszimmer und schrieb wie in Trance einen Artikel nach dem anderen. Mehrere Redakteure meinten, seine Texte seien ganz ausgezeichnet, sowohl inhaltlich als auch stilistisch. Sie besaßen darüber hinaus die Freundlichkeit, ihm einige andere Blätter vorzuschlagen, in denen er sie vielleicht unterbringen könnte.
    Sein Plan war eigentlich gewesen, Hanna rein zufällig zu begegnen, sobald seine neue Karriere in Schwung gekommen war. Eines Nachts nach dem Berlinfiasko gehorchten seine Füße jedoch nicht seinem Kopf, und er tauchte unangemeldet vor ihrer Tür auf. Wie ein streunender Kater, hatte sie später zu einer Freundin gesagt, ebenso liebeshungrig wie willkommen. Er zog auf der Basis einer Reihe von Versprechen ein, an die sie sich später nicht mehr erinnern mochten.
    Wesentlich ärmer, aber um eine Erfahrung reicher, beschloss Meijtens, sich stattdessen auf monatlich erscheinende Zeitschriften zu Spezialthemen zu konzentrieren. Er widmete sich der Aufgabe mit derselben Gründlichkeit, mit der er sich in anderen Lebensphasen Klaviersonaten und historischen Essays gewidmet hatte. Während einer langen Nacht, die er mit mehreren Kannen Jasmintee und einem Stapel von Zeitschriften wie Essen und Wein , Das Motormagazin und Schöner leben in den Schären verbrachte, füllte er einen ganzen Schreibblock mit Notizen und Ideen.
    Ein paar Tage später verließ er blinzelnd die Königliche Bibliothek. Er war kein Tageslicht mehr gewöhnt, hatte jedoch eine Satteltasche voller Notizen, die ihn zu einem Spezialisten für so unterschiedliche Themen wie Jagdhunde, Zigarren und Hausrenovierung machten.
    Als Meijtens sich mit sorgsam ausgewählten Chefredakteuren traf, sahen sie in ihm einen Journalisten, der für ihr Blatt wie maßgeschneidert wirkte. Das lag nicht nur an seinem Interesse und seinen verblüffenden Detailkenntnissen, er hatte auch eine ganz besondere Art, die ihn in ihren Augen sympathisch machte. Etwas, das sie nicht
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