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Ein Freund aus alten Tagen

Ein Freund aus alten Tagen

Titel: Ein Freund aus alten Tagen
Autoren: Magnus Montelius
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Finanzierung fehlte. Meijtens schwieg und trank sein Mineralwasser. Es dauerte immer noch eine Stunde, bis Bertil Andersson nach Hause gehen würde.
    Keiner wusste genau zu sagen, wie sich die Männer in der Wirtschaft kennengelernt hatten. Sie hatten sich einfach in denselben Kreisen bewegt, sie hatten einander und das Možels gefunden und waren geblieben. Manchmal fiel einer von ihnen einer konventionelleren Karriere zum Opfer, die sich nachteilig auf die Geselligkeit auswirkte, oder gründete eine zeitraubende Familie. Wie Mitglieder des Politbüros, die in Ungnade gefallen waren, verschwanden sie und wurden nie mehr erwähnt. Man sprach auch nie über die bescheidenen Jobs, mit denen sich die einzelnen über Wasser hielten. Sie taugten als lustige Anekdoten oder als Finanzierung der Projekte, mit denen man sich eigentlich beschäftigte. Keiner war so taktlos, darauf hinzuweisen, wie lange diese kurzfristigen Arrangements schon andauerten. Hanna nannte sie, wenn sie entsprechend gelaunt war, die »Eigentlich-Clique«.
    Als er Hanna vor zehn Jahren kennenlernte, hatte er grundsätzlich nichts vorgehabt oder geplant, was weiter als eine Woche in der Zukunft lag, und irgendwann hatte er sich gefragt, warum das Leben nicht immer so sorglos sein konnte. Die Wochenendschichten als Taxifahrer bescherten ihm ein kleines, aber regelmäßiges Einkommen, und manchmal sprang er in den großen Hotels als Barpianist ein, um eine gute Antwort geben zu können, wenn die Leute ihn nach seiner Arbeit fragten.
    Sie waren sich auf einer Party begegnet, auf der sie eher versehentlich gelandet war. Er hatte ihr die übliche Geschichte erzählt, dass er zwei Jahre zuvor wegen einer reinen Formalität die Aufnahme an der Musikhochschule verpasst habe, und hatte behauptet, er schreibe ein Buch über sein Leben als Barpianist. Über zerrüttete Existenzen und Bekenntnisse von Geschäftsleuten zu später Stunde. Sie hatte ihm kein Wort geglaubt, ihn aber trotzdem nach Hause begleitet. Keiner von beiden hatte darin mehr als einen One-Night-Stand gesehen, und sie waren beide überrascht gewesen, als sie nicht nur zusammen zu Abend aßen, sondern auch gemeinsam frühstückten und Meijtens’ sonst so spartanisch ausgestatteter Badezimmerschrank sich nach und nach füllte. Am Ende mussten sie sich eingestehen, dass sie praktisch zusammenwohnten.
    Streng genommen war sie zu jung gewesen, eine verblüffend hübsche Medizinstudentin, die eine Woge kastanienbrauner Haare und ihre gutbürgerliche Abstammung mithilfe einer Tweedmütze verbarg, die sie auf einem Trödelmarkt erstanden hatte. Keiner zweifelte daran, was Meijtens in ihr sah, aber wenn es darum ging, warum sie ausgerechnet ihn auserwählt hatte, gingen die Meinungen weit auseinander. Im Možels nahm man an, dass Meijtens – genau wie die Mütze – Ausdruck einer jugendlichen Revolte sei, von der man sich später leichter befreien könne als von einem Tattoo.
    Aber die Jahre vergingen, und keine der Prognosen erfüllte sich.
    Anfangs hatte Meijtens sich innerlich für ihre Wutrede gewappnet, die ihm unausweichlich erschien. Über seine fehlenden Zukunftspläne und Ambitionen, über seine nichtsnutzigen Freunde und das unregelmäßige Einkommen. Und schließlich das andere, worüber sie niemals sprachen. Aber Hanna meinte nur, es sei seine Sache, wenn er sein Leben vergeuden wolle, und hetzte anschließend zu ihren Vorlesungen und Prüfungen. Meijtens blieb allein in einer viel zu kleinen Wohnung mit viel zu viel Zeit zum Grübeln zurück.
    Dass er sich an der Universität einschrieb, war möglicherweise vorhersehbar gewesen und verpflichtete ihn außerdem zu nichts. Aber dass er tatsächlich innerhalb der Regelstudienzeit seinen Abschluss mit Geschichte als Hauptfach machte, hielten die meisten seiner Bekannten für eine kleine Sensation. Auch danach verblüffte er sie, indem er Doktorand am Historischen Institut wurde. Im Možels hieß es, das sei nur eine Plattform für andere Projekte. Keiner wusste, welchen Plan er mit seiner neuen Laufbahn eigentlich verfolgte. Hanna kam der Wahrheit schon näher, als sie behauptete, es gehe um Meijtens’ verhängnisvollen Hang zur Loyalität, in diesem Fall zu seinem Doktorvater, dem eigentümlichen Exiltschechen Jakub Bem.
    Sie waren durch die Korridore geritten wie Don Quijote und Sancho Panza, hatten unmögliche Thesen vertreten und Seminare angeboten, deren Titel schon ausreichten, um die Studenten abzuschrecken und die Kollegen zu entsetzen.
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