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Ein Fall für Perry Clifton

Ein Fall für Perry Clifton

Titel: Ein Fall für Perry Clifton
Autoren: Wolfgang Ecke
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lassen.
    Perry spürt, wie ihn jetzt doch eine gewisse Spannung befällt. Es ist das gleiche unruhige Gefühl, das er als kleiner Junge hatte, wenn er auf dem Dachboden einen verschlossenen Karton oder ähnliches fand. Immer waren es geheimnisvolle Schätze, die er zu entdecken glaubte.
    Während er nach Hammer, Stemmeisen und Zange sucht, erinnert er sich seines gegebenen Versprechens.
    Zwei Minuten später ist Dicki da. Seit Stunden schon hat er fieberhaft auf diesen Augenblick gewartet. Jetzt tastet er ehrfurchtsvoll die rohen Bretter des ihm riesig erscheinenden Kastens ab.
    „Ich bin gespannt, was wir finden werden, Mister Clifton.“
    „Nun, ich muß zugeben, daß ich ebenfalls ganz schön neugierig bin. Aber zunächst müssen wir die Bandeisen entfernen.“
    Vier donnernde Schläge lassen die drei Bandeisen auseinanderschnellen. Etwas mehr Zeit nimmt das Aufstemmen des Deckels in Anspruch. Es quietscht, ächzt und knarrt, daß man meinen könnte, zwei Dutzend Gespenster seien bei ihrer Spukarbeit.
    Aufgeregt, wie vor einer Rechenarbeit, turnt Dicki um die Kiste herum.
    Endlich ist es soweit.
    Vorsichtig stellt Perry den Deckel zur Seite.
    „Alles Papier!“ ruft Dicki enttäuscht.
    „Das ist nur die oberste Schicht“, beschwichtigt Perry seinen kleinen Freund und beginnt Unmengen Papier auf den Boden zu werfen.
    „Na, wenn das so weitergeht, können wir bald einen Altpapierhandel aufmachen.“
    Perrys Befürchtungen sind überflüssig. Als er jetzt ein großes Stück Wellpappe abhebt, ist es mit dem Füllpapier zu Ende. Gleichzeitig stößt Dicki einen entsetzten Schrei aus.
    Perry ist erschrocken zusammengefahren.
    In Dickis Gesicht sitzt Panik. Es ist kreidebleich.
    „Zum Teufel, Dicki, was ist denn los?“
    „Dort“, kommt es erstickt von seinen Lippen, und sein ausgestreckter Zeigefinger weist in die Kiste.
    Sekundenlang verharren Perrys Blicke ebenfalls auf einem bestimmten Punkt. Dann beugt er sich plötzlich vor und hebt etwas heraus.
    „Das war einmal ein Mensch, Dicki. Aber vor dem brauchst du keine Angst mehr zu haben. Der ist seit mindestens tausend Jahren tot. — Man nennt so etwas eine Mumie.“
    Dicki ist noch immer blaß. Zu sehr war ihm der Schreck in die Glieder gefahren.
    „Sie meinen, daß das ein Mensch war wie wir?“
    „Ja. Und wenn mich nicht alles täuscht, dann handelt es sich hier um eine ägyptische Mumie.“
    „Schrecklich.“
    Perry hat die gewickelte Mumie hin und her gedreht und verkündet jetzt triumphierend: „Ich habe mich nicht getäuscht. Hier steht es: Mumie, Oberägypten, cirka 400 vor Christus.“
    Bald sieht es in Perrys Wohnung wie in einem Museum für Völkerkunde aus. Vasen aus Ceylon, Steinkrüge aus Persien, handgeschnitzte heidnische Figuren aus allen Teilen Afrikas, bizarre Muscheln aus der Karibischen See und Unmengen anderer Dinge. Auch ein kleiner massiv goldener Buddha aus Siam ist darunter. Dicki hat seinen Schreck längst überwunden. Jedes Ding, jeden Gegenstand tastet er genau ab. Seine Wangen glühen, und aus seinen Augen sprüht Erregung und Begeisterung über die vielen fremdländischen Dinge.

    Doch keiner von den beiden ahnt, welch ungeheure Überraschung ihrer noch harrt.
    Je mehr sich die große Kiste leert, um so öfter wandern Perrys Blicke zu dem Holzkoffer hinüber. Und im Geist hört er die Geschichte, die ihm der alte Mister Cool erzählt hat...

    Es ist inzwischen sechs Uhr abends. Die Kiste ist leer geworden, ohne daß noch eine Überraschung zutage gekommen ist. Während Perry Clifton und Dicki gemeinsam das herumliegende Papier einsammeln, erzählt Perry die Geschichte des Holzkoffers.
    „Haben Sie auch einen Schlüssel zum Schloß?“
    „Nein. Da hat wohl keiner mehr existiert. Aber wir haben ja inzwischen Erfahrung im öffnen von verschlossenen Kisten.“
    „Ich habe mal gelesen, daß man ein Vorhängeschloß mit einem nassen Handtuch aufmachen kann.“
    „Vielleicht das Schloß einer Puppenstube, Dicki, aber nicht dieses Museumsstück. Da helfen nur Hammer und Stemmeisen.“
    Dicki hat es schon geholt.
    Perry kniet sich neben den Holzkoffer, während Dicki darauf Platz nimmt. Perry nimmt genau Maß. Drei-, viermal rutscht das Stemmeisen ab. Und noch einmal. Perry wischt sich den Schweiß von der Stirn und schimpft innerlich auf das „verdammte Schloß“. Er versucht es mit der Zange, indem er das obere Ende unter den Bügel des Schlosses klemmt. Und siehe da — es gelingt.
    Behutsam klappt Perry den Deckel zurück.
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