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Ein Fall für Perry Clifton

Ein Fall für Perry Clifton

Titel: Ein Fall für Perry Clifton
Autoren: Wolfgang Ecke
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er sich dabei, wie seine Gedanken in das alte Haus nach Ipswich zurückkehren; und wie die Bilder wild durcheinandergaukeln. Der Affenkopf an der Haustür, die Ahnengalerie im Gang, der alte Diener mit den zittrigen Händen und Mister Cool inmitten seiner vielen Bücher.
    Auch sein Onkel Albert Tusel erscheint ihm jetzt in einem ganz anderen Licht... Was mag das für eine Erfindung gewesen sein, die ihm so viel Geld einbrachte, daß er jahrelang Reisen um die ganze Welt machen konnte?
    Bei diesem Gedanken stößt Perry einen tiefen Seufzer aus. Reisen... Einmal eine große Reise machen. Vielleicht nach Amerika... oder nach Asien... zum Beispiel nach Japan...
    Doch dann fällt ihm der Koffer aus Kalkutta ein. Auch eine Erfindung. Aber wie hatte Mister Cool gesagt: ,Im übrigen dürfte besagte Erfindung längst überholt sein.’
    Ein schrilles Pfeifen bringt Perry wieder in die Wirklichkeit zurück.
    Der Teekessel!
    Aber war da nicht noch ein anderes Geräusch?
    Da - wieder...
    Kein Zweifel, es hat jemand geklopft.
    „Herein!“
    Zuerst ist es nur ein ungekämmter Wuschelkopf, der sich durch den Türspalt zwängt.
    „Darf ich noch hereinkommen, Mister Clifton?“
    Bevor Perry etwas sagen kann, folgen dem Kopf eine blaugestreifte Jacke und ebensolche Hosen.
    „Ich war nämlich schon im Bett.“
    „Wo du um diese Zeit hingehörst, Dicki!“
    „Ich konnte nicht schlafen... Ich habe doch auf Sie gewartet — wegen der Erbschaft.“
    „Wenn dich deine Eltern bei mir finden, werden sie mir den Kopf waschen.“
    Doch Dicki wischt diesen Einwand mit einer großzügigen Geste weg. „Die sind im Kino. Außerdem bin ich noch gar nicht müde.“
    Man sieht es ihm an, daß er vor Neugier fast platzt.
    Perry Clifton tut so, als bemerke er es nicht. Seelenruhig schenkt er sich eine Tasse Tee ein und schiebt sich einen Keks zwischen die Zähne.
    „Einen Haufen Geld...“ hebt er an... und Dickis Kinnlade klappt erschrocken nach unten, während sich seine Augen weiten...
    „Einen Haufen Geld — kann ich dir leider nicht verkünden“, beendet Perry verschmitzt seinen Satz.
    Dicki atmet tief auf und fährt sich erleichtert über seinen Struwwelkopf.
    „Jetzt haben Sie mich aber ganz schön erschreckt.“
    Perry klopft ihm beruhigend auf die Schulter.
    „Deine Befürchtungen waren höchst überflüssig, mein Sohn. Die ganze Erbschaft besteht aus zwei Holzkisten.“
    „Aus zwei Holzkisten? Leeren Holzkisten?“
    Dicki runzelt nachdenklich die Stirn. Das ist ihm doch zu unwahrscheinlich, daß jemand leere Holzkisten vererbt.
    „In der einen Kiste sollen Reiseandenken aufbewahrt sein und in der zweiten eine Erfindung. — Mehr weiß ich leider auch nicht.“
    Dicki sieht sich suchend im Zimmer um. Da er jedoch weder eine noch zwei Kisten entdecken kann, fragt er ein wenig mißmutig:
    „Dann haben Sie die Sachen wohl gar nicht mitgebracht?“
    „Sie werden morgen gebracht. Die eine Kiste ist fast so schwer wie ein Omnibus“, erläutert Perry.
    Und Dickis Gesicht leuchtet auf, als Perry hinzusetzt: „Ich verspreche dir, daß ich dich herüberhole, sobald die Sachen da sind. Gemeinsam werden wir uns dann Onkel Alberts Souvenirs ansehen. Na, ist das ein Vorschlag?“
    An Dickis Augen kann Perry sehen, daß sein Vorschlag vollste Zustimmung gefunden hat. Was er allerdings noch sagt, scheint auf wenig Begeisterung zu stoßen.
    „Und jetzt machst du, daß du wieder ins Bett kommst. Denk daran, daß du morgen früh zur Schule mußt.“
    Dicki will gerade berichten, daß er neulich bis früh um drei in Perrys Buch gelesen habe, als ihm noch rechtzeitig die unrühmlichen Folgen anderntags in der Schule einfallen. ,Ich sag’ lieber nichts’, fährt es ihm durch den Kopf. Und während er zur Tür geht, winkt er Perry jovial zu: „Also dann bis morgen, Mister Clifton. Und denken Sie daran, daß Sie morgen früh in Ihr Kaufhaus müssen.“
    „Ich habe Urlaub, mein Sohn!“

    Den ganzen Vormittag wartet Perry vergeblich auf die Kisten.
    Endlich, es ist bereits nachmittags drei Uhr, klingelt es. Eine Viertelstunde später stehen die erwarteten Gegenstände in seinem Zimmer. Während es sich bei dem einen Stück um eine mit Bandeisen versehene Riesenkiste handelt, stellt das zweite Stück tatsächlich mehr eine Art Holzkoffer dar, an dessen Deckel ein gewaltiges eisernes Vorhängeschloß pendelt.
    Von dem einst braunen Anstrich des Koffers sind nur noch Reste wahrzunehmen. Vierzig lange Jahre haben die Farbe abblättern
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