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Ein endloser Albtraum (German Edition)

Ein endloser Albtraum (German Edition)

Titel: Ein endloser Albtraum (German Edition)
Autoren: John Marsden
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würde das Haus nie erreichen. Und als ich endlich nur noch einen Meter von der Hausmauer entfernt war, sah ich, dass die Wache schlief. Ich hätte genauso gut laut pfeifend durch den Garten schlendern können, sie hätte es nicht bemerkt. Ich war ein wenig in Sorge, weil es zehn vor vier war und ich dachte, sie versäumt vielleicht ihre Ablöse. Aber sie hatte eine dieser Uhren mit eingebautem Wecker, und als ich schon dachte, ich müsste sie wecken, läutete der Wecker. Ein paar Minuten später kam der Pfiff. Sie kam taumelnd auf die Beine und marschierte weg. Ich glaube, sie hat getrunken, weil sie noch rasch eine Flasche in ihrer Jackentasche verstaute. Sobald sie um die Ecke war, sauste ich in das Haus hinein. Ich drehte den Gasherd in der Küche auf und die Heizung im Frühstückszimmer; mehr war nicht drin. Dazu hatte ich zu große Angst. Und den Timer habe ich auch nicht überprüft, sondern nur angesteckt und gehofft, dass er nicht zu früh losgeht.«
    »Ich hab's genauso gemacht«, gestand ich.
    Es stellte sich heraus, dass Lee als Einziger seinen Timer überprüft hatte.
    »Dass da was schiefging, war fast nicht möglich«, sagte Homer. »Wir haben sie im Haus von Ms Lim ziemlich sorgfältig eingestellt und alles lief genau nach Plan. Die Häuser sind fast gleichzeitig explodiert – es kann auch sein, dass eines das andere in die Luft gejagt hat, oder vielleicht hatten sie dort ja wirklich ein Munitionslager.«
    Am frühen Nachmittag kam eine Bodenpatrouille auf das Grundstück der Mackenzies. Sie kamen in zwei Geländewagen, einem Toyota und einem Jackaroo. Ich erkannte den Jackaroo wieder. Er gehörte Mr Kassar, meinem Bühnenspiellehrer an der Schule. Der Wagen war sein ganzer Stolz gewesen. Obwohl wir uns im Busch für den Augenblick einigermaßen sicher fühlten, hatten wir große Angst, sie könnten irgendeinen Hinweis finden, dass wir dort gewesen waren, und Verstärkung rufen. Solange sie das Gelände absuchten, ließen wir sie nicht aus den Augen. Das Komische war, dass sie so nervös waren. Sie behielten ihre Gewehre im Anschlag, entfernten sich nicht voneinander und blickten sich in einem fort ängstlich um. »Das sind nur wir«, wollte ich ihnen zurufen. »Wir sind bloß Kids. Kein Grund, so nervös zu sein.« Aber das wussten sie natürlich nicht. Für sie waren wir Berufssoldaten, top ausgebildete Killer. Sie hatten gar nicht so Unrecht. Vielleicht war es das, was aus uns geworden war.
    Eines war sicher: Sollten sie uns erwischen und uns nachweisen können, dass wir das alles angerichtet hatten, wären wir erledigt. Gestorben. Ich meine das nicht nur als Floskel. Es wäre das Ende unseres Lebens, unseres Atmens, Sehens und Denkens. Wir wären tot.
    Jetzt gingen die Soldaten zum Scherschuppen hinauf. Es war wie im Film: Sie bewegten sich rasch und in kleinen Gruppen von einem Punkt zum nächsten, gaben sich gegenseitig Deckung und traten schließlich die Tür ein. Eigentlich hatten wir Riesenglück gehabt, ihnen so oft entwischt zu sein. Im Vergleich zu ihnen waren wir doch die reinsten Amateure. Obwohl, ich weiß es nicht. Es konnte auch sein, dass gerade das unser Vorteil war. Wir waren wahrscheinlich fantasievoller und dachten viel flexibler als sie. Sie waren bloße Handlanger, die die Befehle anderer ausführten. Wir waren unsere eigenen Bosse und konnten selbst entscheiden. Das half wahrscheinlich.
    Es erinnerte mich an einen Wachtraum, den ich als kleines Kind besonders gerne gemocht hatte. Ich träumte von einer Welt ohne Erwachsene. Ich kam nie ganz dahinter, was aus den Erwachsenen geworden war, aber plötzlich durften wir Kinder tun und lassen, was wir wollten. Wenn wir ein Fahrzeug brauchten, besorgten wir uns einen Mercedes aus einem Schauraum, und wenn das Benzin alle war, holten wir uns einen anderen. Wir wechselten die Autos wie sonst die Socken. Jede Nacht schliefen wir in anderen Häusern, und anstatt die Betten zu überziehen, suchten wir uns einfach ein neues Haus. Es war ein bisschen wie die Teeparty des verrückten Hutmachers in Alice im Wunderland, bei der die Gäste am Tisch einfach nachrückten anstatt das Geschirr zu spülen. Das Leben als eine lange Party.
    Ja, so war der Traum gewesen.
    Jetzt wäre ich vor Freude verrückt geworden, wenn man mir ermöglicht hätte die Zügel der Welt den Erwachsenen zurückzugeben. Ich hatte nur noch den Wunsch, wieder zur Schule zu gehen, mich für die Uni vorzubereiten, Blödsinn zu machen, vor dem Fernseher zu sitzen und die
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