Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein endloser Albtraum (German Edition)

Ein endloser Albtraum (German Edition)

Titel: Ein endloser Albtraum (German Edition)
Autoren: John Marsden
Vom Netzwerk:
der Not beschlossen wir die Hauptstraße zu verlassen und zum nächstgelegenen Grundstück, dem der Mackenzies, zu fahren.
    Ich war erst zum zweiten Mal wieder hier, seit das Haus vor unseren Augen von einem Düsenjet zerstört worden war. Damals, als alles anfing, waren wir in den Hütten der Scherer verborgen gewesen und hatten zugesehen, wie das Haus dem Erdboden gleichgemacht wurde. Es jetzt im kalten grauen und traurigen Morgenlicht wieder zu sehen half mir, mich bei dem Gedanken an die Verwüstung der halben Turner Street etwas besser zu fühlen. Die Besitzer dieser Häuser taten mir leid, aber ich wusste, dass wir dem Feind diesmal mehr Schaden zugefügt hatten als mit allen unseren früheren Aktionen zusammengenommen. Und es war wenigstens eine kleine Revanche dafür, dass diese Leute das Leben der Mackenzies zerstört hatten, indem sie zuerst ihr Haus zerbombten und dann ihre Tochter anschossen: Corrie, ihre Tochter, meine Freundin.
    Die anderen begaben sich sofort zum Scherschuppen, während ich noch ein paar Minuten durch die Ruinen des Hauses wanderte. In den Trümmern wuchs bereits das erste Unkraut und fing an sich auszubreiten. Wütend riss ich es aus. Vielleicht war das falsch. Immerhin waren die Pflanzen auch eine Art Leben. Davon gab es hier nicht mehr viel. In den Ruinen befand sich nichts, das nicht beschädigt war. Jedes einzelne Tongeschirr war zu Bruch gegangen, jeder Topf verzogen und verbogen, jedes Stück Holz zersplittert und zerkratzt. Vergeblich suchte ich nach irgendeinem Gegenstand, der heil geblieben war. Ich hatte wenigstens noch Alvin, einen kleinen Rest von Liebe, der das Massaker bei den Harveys Heroes überlebt hatte.
    Als ich das Haus verließ, um mein Rad zu holen, fand ich doch noch etwas. Unter einem Ziegelstein ragte etwas hervor; es glänzte wie Silber. Ich hob den Stein hoch. Es war ein Brieföffner, lang und schmal und scharf, mit einem kurzen Querbalken als Griff. Ich steckte ihn ein. Vielleicht würde ich ihn eines Tages brauchen können. Als Waffe. Dass ich ihn eines Tages verwenden könnte, um einen Brief damit zu öffnen, fiel mir in dem Moment nicht ein. Ein wenig hoffte ich auch, dass ich ihn eines Tages seinen Besitzern zurückgeben könnte.
    »Ellie!«, schrie jemand.
    Erschrocken blickte ich auf. Robyn winkte wie verrückt vom Scherschuppen. »Flugzeug!«, schrie sie.
    Erst jetzt fiel mir das tiefe Brummen in der Luft auf, das ich bis zu diesem Moment nicht wahrgenommen hatte. Wahrscheinlich war ich dazu zu müde gewesen. Doch nun pumpte das Adrenalin mit einem Schlag die Erschöpfung aus meinem Körper: Ich rannte zu meinem Rad, stolperte dabei über die Ziegelsteine und spürte das Ziehen in meinem Knie, das zu einem stechenden Schmerz wurde.
    Ich ignorierte den Schmerz, bekam vor Panik das Rad fast nicht hoch und fragte mich, ob ich das Flugzeug zum Schuppen locken würde, wenn ich dorthin radelte, sah aber sonst keine Deckung und trat wie eine Verrückte in die Pedale. Ich war kaum im Schatten der Hütte, als die anderen nach mir griffen und mich in das alte Gebäude zerrten. Ich lag auf dem Boden und schnappte schluchzend nach Luft. Der Lärm des Flugzeugs war nun direkt über unseren Köpfen und entfernte sich wieder. Ich lag mit dem Gesicht im Staub, bebend vor Angst, dass es mich gesehen haben könnte und im nächsten Moment zurückkehren würde. Für mich war es ein böses Wesen, mit eigenen Augen und eigenem Denken. Dass Menschen in ihm saßen und es steuerten, lag in dem Moment außerhalb meiner Vorstellungskraft.
    Als das Donnern des Flugzeugs wieder leiser wurde, half mir Robyn auf die Beine.
    Das war der Beginn eines schrecklichen Tages. Wir waren stolz auf das, was wir getan hatten, aber es dauerte nicht lange, bis der Stolz verflog und nur noch Angst und Schrecken regierten. Wir begriffen allmählich, dass wir mit unserem Anschlag Dinge oder Leute getroffen hatten, die größer und wichtiger gewesen sein mussten, als wir uns je erträumt oder gedacht hätten. Den ganzen Tag schwärmten die Flugzeuge und Hubschrauber aus. Ihr nicht enden wollendes Knattern, das an wütende Kettensägen erinnerte, schien in mein Gehirn einzudringen, bis ich nicht mehr wusste, ob sie in meinem Kopf oder am Himmel waren. Nach ein paar Stunden waren unsere Nerven so zerrüttet, dass wir den Scherschuppen verließen, die Räder versteckten und durch die Bäume in die Hügel hinauf verschwanden. Erst als wir im dichtesten Busch verborgen waren, fühlten wir uns ein wenig
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher